Was Deutschland tun muss, um den Klimawandel aufzuhalten
Die von der Bundesregierung für 2020 gesteckten Klimaziele werden nicht erreicht, so viel ist klar. Um 40 Prozent wollte die Bundesregierung die Kohlendioxid-Emissionen bis 2020 gegenüber 1990 reduzieren, bis 2030 um 55 Prozent. Geschafft haben wir bisher erst 28 Prozent. Und auch das war teilweise Glück. Denn neben dem Ausstieg aus der Atomenergie und dem Ausbau von erneuerbaren Energien hat auch der milde Winter 2018 geholfen, weil viel weniger geheizt wurde als sonst.
Manfred Fischedick vom Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt und Energie und Christine Merk vom Kieler Institut für Weltwirtschaft informierten in der Evangelischen Akademie am Römerberg zunächst mal über die Zahlen und Fakten: Um maximal zwei Grad soll die Erderwärmung laut der Pariser Klimakonferenz der Vereinten Nationen steigen. Aber selbst wenn das klappt, was keineswegs sicher ist, wäre das nur ein Mittelwert. Im manchen Regionen der Erde wird die Durchschnittstemperatur auch dann deutlich mehr ansteigen, mit drastischen Folgen für die Lebensverhältnisse. Deutschland müsse sich daher im Sinne der Klimagerechtigkeit überproportional an der Reduktion von Kohlendioxid beteiligen, sagte Fischedick und schlug vor, einen Rückgang um 95 Prozent anzustreben.
Der Anteil der erneuerbaren Energien liegt in Deutschland inzwischen bei rund 38 Prozent, was schon mal ein Erfolg ist. Allerdings sind im Bereich Verkehr die Emissionen um zwei Prozent gestiegen, kritisierte Christine Merk. Bei der Entwicklung von energiesparenden Autos hinke Deutschland den europäischen Nachbarländern deutlich hinterher, in der Landwirtschaft fehlten Denkansätze zur Emissions-Senkung gänzlich. Das liege auch daran, dass man sich zu große Hoffnungen darauf macht, dass neue Technologien das Problem lösen können, wie zum Beispiel das „Geo-Engeneering“, bei dem bestimmte Substanzen wie Calciumcarbonat in die Atmosphäre eingebracht werden, um die Sonne zu dimmen.
Dass man auch Technologie für den Umweltschutz ausnutzt, ist für sich genommen ja keine schlechte Idee, sofern man sie nicht als Ausrede dafür nimmt, sonst nichts tun zu müssen. Zum Beispiel kann eine digitale Steuerung von Heizsystemen den privaten Kohlendioxid-Ausstoß erheblich senken, wie Klaus-Michael Ahrend von der Darmstädter HEAG, dem größten Hersteller von Ökostrom in Deutschland, sagte. Aber der Klimawandel ist nur dann aufzuhalten, wenn alle Möglichkeiten genutzt werden, wenn alle tun, was in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich möglich ist, und wenn es darüber hinaus Strukturen gibt, um diese Bestrebungen zu vernetzen.
Doch wo kann Politik sinnvoll eingreifen und steuern? Welche Rolle spielen Landesregierungen und Kommunen – und wie können die Leute davon überzeugt werden, auf das Steak oder den Sonntagbraten zu verzichten und im Taunus wandern zu gehen, statt für 40 Euro nach Mallorca zu fliegen? „Nudging“ wird in der Verhaltensökonomie die Kunst genannt, Menschen bei dem, was sie tun, in die erwünschte Richtung zu „schubsen“. Auch eine Steuer auf Kohlendioxid könnte ein Steuerungsinstrument sein, sofern sie nicht Einzelne übermäßig belastet.
Der E-Porsche kann für den Klimaschutz genauso sinnvoll sein wie der Ausbau des Schienennetzes, die Kommune, die auf Ökostrom umrüstet, ebenso wie nachhaltige Geldanlagen, eine Änderung des Wettbewerbsrechts ebenso wie der Umstieg auf Carsharing. Oder die von Martin Fischedick angestoßene Initiative „IN4Climate.NRW“, ein Expertengremium aus den großen Industriesektoren Stahl, Chemie sowie verschiedenen Forschungseinrichtungen, in dem es darum geht, Industrie im Sinne des Pariser Abkommens klimaneutraler zu gestalten.
Der Bundesverband der deutschen Industrie hat Anfang des vergangenen Jahres ein Gutachten vorgelegt, demzufolge die Erreichung der Klimaschutzziele über alle Sektoren etwa 1,5 bis 2,3 Billionen Euro kosten wird. Je später wir nachhaltig handeln, umso teurer wird es. Nichtstun wäre allerdings noch teurer.
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