Politik & Welt

Vor lauter Corona das Klima nicht vergessen!

Bei einem Webinar der Evangelischen Akademie Frankfurt zum Thema „For Future – Demokratie, Bildung und Religion in der Klimabewegung“ ging es um die Frage, was helfen kann, die Dringlichkeit der Klimakrise ins Bewusstsein zu bringen.

Foto: Markus Spiske /unsplash.com
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Der Klimawandel – ein Thema, das auch die evangelische Kirche verstärkt herausfordert. Immerhin konfrontiert die Klimaschutzbewegung „Fridays for Future“ nicht nur die Politik, sondern alle etablierten Institutionen der demokratischen Gesellschaft lautstark mit dem Vorwurf der Verdrängung und Untätigkeit. Unter dem Titel „For Future? Demokratie, Bildung und Religion in der Klimabewegung“ lud deshalb die Evangelische Akademie zu einem Webinar mit Live-Chat ein. Als Grundlage half ein Vortrag des Münsteraner Theologen Arnulf von Schehila unter der Überschrift „Demokratie und Prophetie in der Klimabewegung“.

Vortrag wie Diskussion machten deutlich: Kirche und Klimabewegung verbindet nicht nur die Verantwortung für die Schöpfung und die Notwendigkeit zum Umdenken. Arnulf von Schehila zeigte dazu die quasi religiösen Komponenten der Klimabewegung auf, etwa die Wahrnehmung der Aktivistin Greta Thunberg als Prophetin, in ihrer fokussierten Rigorosität ähnlich denen des Alten Testaments; oder die apokalyptischen Szenarien, mit denen „Fridays for Future“ argumentiert und medial begleitet wird.

Für die ökologischen Veränderungen sei der „prophetische Weckruf“ der Klimabewegung zwar unverzichtbar, so Schehila, für die christliche Theologie die Inszenierung von Drohkulissen allerdings ein Fehler. Das Christentum gehe von einem liebenden, erhaltenden, ermutigenden Gottesbild aus. Die nötige Akzeptanz in der Gesellschaft und bei den einzelnen Menschen zu erwirken sei vielmehr „eine gewaltige Bildungsaufgabe“ und „ein modulares Projekt“ aus vielen kleinen Schritten.

Wie Schehila sahen auch die Mitdiskutierenden des Webinars Bildung und Emotionalität als starke Voraussetzungen für den erforderlichen Wandel. Der Paläontologe und Leiter der Seckenberggesellschaft für Naturforschung, Volker Mosbrugger, beschwor geradezu, wie viel Zeit in Sachen Klimawandel und Nachhaltigkeit bereits verschwendet wurde und wie dringend ein ökologische Umdenken sei: Greta Thunbergs „I want you to panic“, also höchste Emotionalität, sei durchaus berechtigt, so Mosbrugger. Der „Sense of urgency“, also das Bewusstsein über die Dramatik der Situation, dürfe auch durch Corona nicht in den Hintergrund treten. Im Gegenteil: „Corona gibt nur einen Vorgeschmack auf weitere globale Krisen“, warnte der Wissenschaftler.

Für viele Menschen ist die Corona-Krise eine Blaupause für den Klimawandel und dringend erforderliche Veränderungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Auch für „Fridays for Future“: „Wir hören auch auf Wissenschaftler, wir versuchen die Menschen aufzurütteln, aber auch aufzuklären, derzeit durch zum Beispiel durch Webinare“, erklärte die Aktivistin Kira Geadah. „Und wir machen konkrete Vorschläge an die Politik.“ Gleichzeitig sei es „sehr frustrierend“, wie selten die theoretische Zustimmung von Politikern in konkretes Handeln mündete.

Auch der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm forderte mehr politische Umsetzung der Klimaziele durch politische Entscheidungsträger. Aber er betonte auch: „Hier geht es nicht nur um politische Prozesse, sondern um grundlegende Werte jedes Einzelnen, auch unseres Christentums.“ Er verwies damit auf die auch von Schehila zitierte EKD-Denkschrift „Umkehr zum Leben“ aus dem Jahr 2009. „Wir als Kirche müssen Glauben, christliche Lebensorientierung und politische Dimension zusammenbringen“, so Bedford-Strohm. Er sah diese „öffentliche Theologie“ dabei auf gutem Weg.

Offensichtlich ist: Damit die Klimabewegung in die Breite wirken kann, und die Forderung „Hört auf die Wissenschaft!“ nicht nur in der Corona-Krise, sondern auch in Sachen Klimaschutz mehr Akzeptanz erfährt, müssen neben dem „Sense of urgency“ auch Aufklärung und Bildung in allen Teilen der Gesellschaft verstärkt werden. „Die Demonstrationen von Fridays for Future gehören nicht in die Schulzeit“, erklärte Manuel Lösel, Staatssekretär im Hessischen Kultusministerium und selbst Vater von jungen Aktivisten. „Aber Klimawandel und Klimaschutz gehören verstärkt auf den Stundenplan und in die Lehrerfortbildung. Denn das ist ein Thema, das jeden Einzelnen betrifft, jeder kann hier Gutes tun.“

Auch Gregor Gallner, Bezirksjugendsekretär DGB Hessen-Thüringen, mahnte verstärkte Bildung und Aufklärung an, um alle Bereiche der Gesellschaft in Sachen Nachhaltigkeit und Klimaziele zu erreichen und „mitzunehmen“. „Das ist nämlich eine soziale Frage“, sagte Gallner entschieden, indem er etwa auf die Arbeiter in den Tagebaustätten der Lausitz hinwies.

Abschließend kündigte die Aktivistin Geadah an, dass „Fridays for Future“ bei nachlassender Aufmerksamkeit neue, aufsehenerregende Wege des zivilen Ungehorsams gehen werde, „wenn sich nichts ändert“. Und Bischof Bedford-Strohm zitierte Dietrich Bonhöfer mit den Worten: „Erst wenn der jüngste Tag anbricht, legen wir die Arbeit für eine bessere Welt aus der Hand. Vorher nicht.“ Aus der Corona-Krise nahmen alle Beteiligten für den notwendigen Klimaschutz die Erkenntnis – und Hoffnung – mit, dass Information, Einsicht und Solidarität in konkretes Handeln münden können.


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Autorin

Stefanie von Stechow ist Mutter von vier Kindern und freie Journalistin. Sie schreibt über Themen aus Familie, Bildung und Gesellschaft.

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