Spenden Sie noch oder helfen Sie schon?
Wer hin und wieder Geld an wohltätige
Organisationen spendet, hat sich insgeheim bestimmt schon einmal die Frage
gestellt, ob der gespendete Betrag auch tatsächlich dort ankam, wofür er
vorgesehen war. Ein Freund, mit dem ich darüber diskutierte, sagte, er versuche
durch Recherche die Seriosität von helfenden Organisationen herauszufinden und
sich dadurch halbwegs abzusichern. Etablierte Nichtregierungsorganisationen
(NGOs) wie zum Beispiel „Ärzte ohne Grenzen“ stiften bei ihm Vertrauen.
So eine Recherche kann aber nicht jeder leisten. Und was ist mit kleinen lokalen oder unbekannteren Organisationen, die vielleicht auch gute Arbeit machen? Kauft man sich nicht sowieso mit Geldspenden bloß von den eigenen Konsum- und Umweltsünden frei? Von der Sünde des Wohlstandes, der auf Kosten von Menschen des globalen Südens geht?
„Irgendwie schon“ sagen Thomas Gebauer von der Hilfs- und Menschenrechtsorganisation Medico e.V. und sein Coautor, der Schriftsteller Ilija Trojanow. Gemeinsam bereisten die beiden zahlreiche Krisengebiete und schrieben darüber in ihrem Buch „Hilfe? Hilfe!“, das sie kürzlich auch in der Evangelischen Akademie am Römerberg vorstellten.
Gibt es mögliche Wege heraus aus der globalen Krise? Dass die Produktionsverhältnisse marktführender Unternehmen fast immer ausbeuterisch sind, ist inzwischen bekannt. Rohmaterial wird unter gesundheitlich höchst bedenklichen Bedingungen gefärbt, Leder krebserregend gegerbt und Schnitte zu Dumpinglöhnen zusammengenäht. Dabei macht es wenig Unterschied, ob die Klamotte zu Discount- oder zu Designerpreisen feilgeboten wird.
Gebauer und Trojanow sehen nur einen Ausweg: Wir müssen unser Konsumverhalten ändern. Allerdings sind dazu die wenigsten Menschen bereit. Auch mein Freund nicht. „Das ist wieder mal so typisch links“ lautet sein Kommentar. Niemand könne die Welt mit dem eigenen Konsumverhalten retten. Er selbst zum Beispiel würde sich nie als „Konsumopfer“ bezeichnen, aber wenn er mal „Bock auf ein Hemd habe“, dann kaufe er es eben. Die Verhältnisse des globalen Südens seien nicht so monokausal zu erklären.
Und was ist mit einem anderen Trend, der zwar nicht typisch links ist, aber dennoch sich zunehmend verbreitet, nämlich das „politische Klicken“? Unkompliziert, schnell, komfortabel kann man heute Petitionen unterschreiben oder einen Euro für ein soziales Crowdfunding-Projekt spenden.
Auch diese Form des Aktivismus kommt bei Gebauer und Trojanow nicht gut weg. Ganz im Gegenteil: Geradezu „gefährlich“ finden die beiden Autoren eine solche „Klickkultur“, denn dabei werde es den Konsumenten und Verbraucherinnen „furchterregend“ einfach gemacht, ihre „imperiale Lebensweise psychisch zu verdrängen.“
Nicht an Hilfe mangele es auf der Welt, so die Kernthese der beiden, sondern an Solidarität. Mehr als die Selbstzufriedenheit, per Klick etwas Gutes getan zu haben, brauche es eine kritische Reflexion des eigenen Verhaltens, im Konsum, beim Essen, bei der Mobilität, beim Reisen. Denn zwar scheinen Länder der Ärmsten wie Bangladesch, Syrien, der Jemen oder Somalia weit weg zu sein. Am Kleiderbügel, am Fuß, im Kühlschrank, im Auto oder beim Reiseanbieter sind sie jedoch näher als gedacht.
Meinen Freund überzeugt diese Argumentation nicht. Er sehe es vielmehr als seine moralische Pflicht, eine Art selbstorganisierte Umverteilung zu praktizieren: Da er materiell gut versorgt ist, wirft er jedem bettelnden Menschen, dem er in Frankfurt begegnet, etwas in den Becher. Und er hat ein jährlich festgelegtes Spendenbudget, bei dem er globale und lokale Organisationen gleichermaßen berücksichtigt. Sein Konsumverhalten finde er soweit „ok“. Den großen Wurf einer Veränderung sieht er ohnehin bei der Politik und entsprechenden Gesetzen.
Und wie ist es bei Ihnen? Sind Sie bereit für eine radikale, selbst disziplinierte Änderung ihres eigenen Konsumverhaltens? Oder wünschen Sie sich lieber einen starken Staat, der regulierend in die globalen Prozesse der freien Marktwirtschaft eingreift? Oder haben Sie noch eine bessere Idee?
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