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Mit eigenen Augen: Ehrenamtliche informierten sich in Griechenland über die Lage von Flüchtlingen

Bei einer Reise nach Griechenland informierten sich Ehrenamtliche aus der hessischen Flüchtlingsarbeit vor Ort über die Situation der Gestrandeten dort. Ihre wichtigste Erkenntnis: Es braucht legale Wege, um Familien zusammenzubringen. Von der Kirche wünschen sie sich, dass sie bei diesem Thema den Konflikt mit der Politik nicht scheut. 

Foto: privat
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Für die einen sind die griechischen Inseln Sehnsuchtsziele für den Traumurlaub, für die anderen eine Zwischenstation, aus der es kein Entkommen gibt: Fast 60.000 Geflüchtete halten sich derzeit in Griechenland auf, darunter allein rund 6000 auf der Insel Lesbos. Noch immer kommen Menschen mit Schlauchbooten aus der Türkei übers Meer und landen auf einer der Inseln in der Ägäis.

Doch seit dem EU-Türkei-Abkommen, das am 20. März 2016 in Kraft trat, ist die Zahl deutlich zurückgegangen. Das Abkommen sieht vor, dass neu ankommende Flüchtlinge nicht auf das Festland weiterreisen können. Vielmehr sollen sie nach Anhörung und Asylinterview in die Türkei zurückgeschoben werden. Das funktioniert bislang mehr schlecht als recht. Die Folge: die Geflüchteten hängen auf den anderen Inseln fest. Für sie gibt es kein Vor und kein Zurück.

Wie geht es denn Menschen dort? Was brauchen sie? Wie können wir weiterhelfen? Solche Fragen stellten sich 17 Ehrenamtliche aus Hessen, die sich bereits in ihren Heimatgemeinden für Flüchtlinge engagiert hatten – und reisten kurzerhand nach Lesbos und Thessaloniki. Organisiert wurde die Reise vom Zentrum Ökumene in Frankfurt und der Diakonie Hessen.

Lesbos sei wie das italienische Lampedusa ein symbolischer Ort für Flucht und Migration nach Europa, meint Pfarrerin Sabinei Müller-Langsdorf vom Zentrum Ökumene, die die Reise begleitete: „Der EU-Türkei-Deal ist eine Blaupause für ähnliche Abkommen etwa mit den nordafrikanischen Ländern. Die europäischen Außengrenzen werden dicht gemacht.“ Das sei auf Lesbos mit seinen Flüchtlingslagern, den Patrouillen von Kriegsschiffen und den Einsatz von Frontex-Polizisten auf bedrückende Weise sichtbar.

„Zugleich konnten wir dort aber auch ein Europa mit menschlichem Antlitz erleben.“ Die Ehrenamtlichen aus verschiedenen Flüchtlingsinitiativen besuchten etwa das größte Lager auf Lesbos: Moira. Die Gruppe traf dort engagierte Freiwillige am Rande der Erschöpfung und Geflüchtete, die nicht wissen, was aus ihrem Leben wird.

Moira bietet Platz für 2500 Flüchtlinge, derzeit sollen dort aber über 5000 Menschen leben. Eigentlich sollen sie nach dem EU-Türkei-Abkommen zurückgeschickt werden. Doch die Geflüchteten können den Rechtsweg beschreiten. Die griechische Justiz hat die Türkei nicht als sicheren Drittstaat eingestuft – bislang. Doch das höchste griechische Gericht, der Council of State in Athen, hat jetzt im Fall von zwei Syrern entschieden, dass die Türkei ein „sicheres Drittland“ sei und die Syrer demnach abgeschoben werden können. Das Athener Urteil stellt nach Ansicht von Pro Asyl einen bedrohlichen Präzedenzfall auch für viele andere Schutzsuchende dar, die derzeit auf den griechischen Inseln festsitzen. Ihnen droht die Abschiebung in die Türkei.

„Wir brauchen stattdessen legale Wege, um Familien zusammenzubringen, sonst werden weiter Menschen im Mittelmeer sterben“, sagt Anja Harzke, Pfarrerin und Koordinatorin für Flüchtlingsprojekte in Frankfurt. Die Ehrenamtlichen aus Deutschland schrieben nach ihrer Reise eine Resolution, in der sie Kirche und Diakonie auffordern, sich für einen beschleunigten Familiennachzug für Flüchtlinge einzusetzen und dabei auch den Konflikt mit der Politik nicht zu scheuen: „Wer in Deutschland im Asylverfahren ist oder einen Schutzstatus erhalten hat, hat gemäß der Dublin-Verordnung das Recht, auf Familiennachzug. Wir bitten die Verantwortlichen in Kirche und Diakonie, gegenüber den politisch Verantwortlichen auf dieses Recht zu pochen. Wir wissen, dass Integration besser gelingen kann, wenn alle Familienmitglieder zusammen und in Sicherheit sind.“

Die achttägige Begegnungsreise hatte ein straffes Programm. Die Ehrenamtlichen lernten in Thessaloniki Naomi, eine ökumenische Werkstatt für Flüchtlinge kennen. Sie besuchten Alkkyone, ein Tageszentrum für Flüchtlinge, das von der Diakonie Katastrophenhilfe gefördert wird sowie das Folitsa-Wohnprojekt der deutschen evangelischen Gemeinde. Auf Lesbos konnten sie neben Moira auch die kleineren Flüchtlingslager Karatepe und Pikpa anschauen, es gab Workshops gemeinsam mit anderen Freiwilligen.

„Das sind wichtige Gelegenheiten, um mich mit anderen über unsere ehrenamtliche Tätigkeit austauschen zu können. Meine Hoffnung ist, dass sich mehr Menschen für Geflüchtete, ein humaneres Wirtschaftssystem und eine andere Flüchtlingspolitik engagieren“, erklärt die Frankfurterin Dorothea Korn ihre persönliche Motivation. „Auf der Begegnungsreise habe ich viele herzliche und kreative Menschen kennengelernt.“ Sie engagiert sich seit 2016 für eriterische Flüchtlinge, aktuell auch bei einem Kirchenasyl.


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Anne Lemhöfer 144 Artikel

Anne Lemhöfer interessiert sich als Journalistin und Autorin vor allem für die Themen Kultur, Freizeit und Gesellschaft: www.annelemhoefer.de