Lebendige Demokratie statt politischem Alltagsbrei
Zur Wahl des Hessischen Landtages am 28. Oktober hat sich das Frankfurter Römerbergbündnis mit dem Motto „Hessen wählt buntgemustert statt kleinkariert“ positioniert. Toleranz, Weltoffenheit, Bereitschaft zum Dialog und ein kooperatives Miteinander.
Dieses klare Demokratiebekenntnis ist ein Arbeitsauftrag – gerichtet an alle Hessinnen und Hessen. Unser aller Fokus muss weggelenkt werden von der AfD. Hin zur Lust auf Demokratie. Hin zur Lust auf unsere Zukunft. Hessen braucht eine Frischekur. Wieder mehr Zack und Elan in den ganzen politischen Alltagsbrei.
Gelebte Demokratie ist spannend und mitreißend. Viele, unterschiedliche Meinungen sind wichtig. Eine respektvolle Streit- und Konfliktkultur macht Laune. Ein mehrheitlich getragener Kompromiss als Ergebnis zufrieden. Demokratie bedeutet Partizipation. Teilhabe, Mitgestaltung, Einflussnahme, Empowerment.
Die Zahl derer, die sich aktiv beteiligen – in Vereinen, in Kirchengemeinden, in politischen Organisationen, in Initiativen, als Elternbeirat, als Lesepate – nimmt stetig ab. Ehrenamtliche sind Exoten. Seit geraumer Zeit, genauer ab dem Zeitpunkt, ab dem neoliberale Strukturen griffen, wirkt das Volk wie lahmgelegt. Ein jeder hat sich als Individuum im Blick. Im besten Fall noch die Verwandtschaft ersten Grades.
Der Rest? Nachbarn, Kollegen, die Vereinskollegin? Interessiert nicht. Schließlich ist genug zu tun. Mit dem eigenen Vorankommen. Mit der Optimierung und Leistungssteigerung des Nachwuchses. Mit dem persönlichen Kampf eines vermeintlich drohenden gesellschaftlichen Abstiegs. Mit der Pflege der persönlichen Ängste. Ein Spießrutenlauf der gesellschaftlichen Mittelschicht. Anstrengend, kraftraubend, nervenzehrend. Entlastung muss her. Schnell. Dringend.
Pegida, AfD und andere Rechtspopulisten sind ein Ausdruck dieses Trends. Mit ihnen bahnte sich Sozialdarwinismus feinster Art seinen Weg. Feindbilder wurden gesucht und schließlich gefunden.
Geht der Blick für das große Ganze, die Mitmenschen, die Hilfebedürftigen, die Verlierer des Systems verloren – exakt ab diesem Zeitpunkt verroht eine Gesellschaft. Barrieren fallen. Rassismus wird salonfähig. Gewalt und Hetze nicht mehr in Frage gestellt.
Demokratisch gewählt hält die AfD Einzug in die parlamentarische Gremien der Republik. Nach Artikel 21 Grundgesetz wird auch ihr der Rang eines Verfassungsorganes eingeräumt. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben, Mittlerin zwischen Bevölkerung und Staat, wird sie mit entsprechenden finanziellen Mitteln ausgestattet. Die AfD professionalisiert sich, infiltriert in zivilgesellschaftliche Strukturen. Protestpartei wird Gesinnungspartei. Das ist gefährlich. Ihre Programminhalte sind geprägt von Rassismus und Biologismus.
Statt Multikulturalismus predigen sie „Deutsche Leitkultur“, statt Integration eine „Bringschuld der Einwanderer“, Gender Studies diffamieren sie als „Pseudowissenschaften“. Dass es rechts außen politische Organisationen gibt ist nicht neu und konnte bis hierhin demokratisch mitgetragen werden. Das sich nun abzeichnende Ausmaß stellt allerdings die Frage wie lange noch. Was tun? Ignorieren und Totschweigen zieht nicht mehr.
Aufarbeitung ist gefragt. Klassisch. Der Nationalsozialismus. Das DDR-Regime. Die deutsche Vereinigung. Alles Ereignisse der deutschen Geschichte, die nie gesellschaftlich, sozialpsychologisch aufgearbeitet wurden. Man ging damit um nach dem Motto: Aussitzen. Wegschweigen. Augen zu und durch. Schluss.
Wir sind Demokratinnen und Demokraten. Wir handeln auf Grundlage unseres Grundgesetzes. Wir sind ein solidarisches Gemeinwesen. Wir brauchen wieder Vertrauen. In unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger. In unsere rechtsstaatlichen und parlamentarischen Institutionen. In die vielen zivilgesellschaftlichen Akteure. Und: in uns.
Eine starke Demokratie braucht starke Menschen, die mitgestalten, mitdiskutieren, respektvoll streiten, Kompromisse mittragen, solidarisch handeln, helfen und eine Haltung der Achtung einnehmen. Das muss wieder unser Ideal sein.
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