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Stadtdekan Achim Knecht über Kirche und Immobilien: „Wir spekulieren nicht“

Der Wohnungsmarkt in Frankfurt und Offenbach ist angespannt wie nie. Wie geht die evangelische Kirche mit ihren Wohnimmobilien um? Ein Gespräch mit Stadtdekan Achim Knecht.

Achim Knecht (62) ist seit 2014 evangelischer Stadtdekan von Frankfurt, seit der Fusion der beiden Dekanate im Januar 2019 auch von Offenbach. | Foto: Tamara Jung
Achim Knecht (62) ist seit 2014 evangelischer Stadtdekan von Frankfurt, seit der Fusion der beiden Dekanate im Januar 2019 auch von Offenbach. | Foto: Tamara Jung

Herr Knecht, wie viele Wohnimmobilien hat die evangelische Kirche in Frankfurt und Offenbach?

Wir haben gut 500 Mietwohnungen, die wir zunächst unseren Mitarbeitenden anbieten und, wenn von ihnen niemand sie mieten will, auch auf dem freien Markt vermieten. Knapp 80 Prozent sind zurzeit an Außenstehende vermietet. Dabei richten wir uns nach der ortsüblichen Vergleichsmiete, also dem Mietspiegel. Das bewegt sich momentan in der Größenordnung von sieben bis acht Euro. Dazu kommen rund 170 Seniorenwohnungen im Westend, die mit Quadratmeterpreisen von teilweise unter fünf Euro vermietet sind.

In welchem Zustand sind die Wohnungen? Investieren Sie in die Sanierung?

Ja, der Evangelische Regionalverband investiert im Rahmen eines Programms, das sich über 20 Jahre erstreckt, rund 20 Millionen Euro in seine Mietwohnungen, was ein ziemlicher Kraftakt ist. Trotzdem bleiben wir dabei, nur nach ortsüblicher Vergleichsmiete zu vermieten, nicht den nach Marktpreisen, die wir erzielen könnten. Für die Sanierung müssen wir deshalb auf Rücklagen zurückgreifen, aber wir verstehen das als Beitrag dazu, den Wohnungsmarkt zu entlasten. Die Alternative wäre gewesen, unseren Wohnimmobilienbestand zu verkaufen. Aber das hätte bedeutet, diese Wohnungen Investoren zu überlassen, die sicher anders verfahren würden.

Aber die Kirche verkauft doch auch Wohnungen, oder nicht?

Wir haben vor zwei Jahren beschlossen, einen kleinen Teil zu verkaufen, nämlich solche Objekte, die sich in der Bewirtschaftung für uns nicht rechnen, wie Einzelobjekte oder Reihenhäuschen. Sie werden aber zuerst den Mieterinnen und Mietern nach Gutachten angeboten.

Wie geht der Evangelische Regionalverband mit nicht mehr genutzten Gemeinde- oder Pfarrhäusern um?

Oft sind das Projekte, die zur Refinanzierung von anderen Gebäuden dienen. Jetzt zum Beispiel sind wir in der Vermarktung einer Liegenschaft in der Haeberlin-straße in Eschersheim, vor einigen Jahren wurde eine Liegenschaft in der Freiligrathstraße in Bornheim verkauft. Mit den Erträgen refinanzieren wir den Bau- und Substanzerhalt anderer Gebäude. Das Haus Am weißen Stein in Eschersheim zum Beispiel mit seinen
Beratungsstellen musste für knapp acht Millionen Euro saniert werden. Dafür haben wir einen Kredit aufgenommen, der natürlich refinanziert werden muss. Das heißt, wenn wir Liegenschaften vermarkten, dann, um andere zu erhalten – das Haus Am weißen Stein zum Beispiel kann jetzt wieder für die nächsten vierzig Jahre gut genutzt werden.

Ist es denn ethisch zu vertreten, wenn die Kirche auf diese Weise vom Immobilienboom profitiert?

Ich finde schon, denn wir vermarkten diese Liegenschaften ja nicht einfach nach Höchstpreisen. Wir vergeben, wenn irgend möglich, an Bestandshalter, das heißt an Investoren, die sich verpflichten, weiterhin Mietwohnungen anzubieten. Und wir vergeben nur in Erbpacht, was bedeutet, dass wir als Kirche Grundbesitz halten und unsere Vermarktungen sich deshalb nicht auf den allgemeinen Preisindex auswirken, für den nämlich nur Verkäufe erfasst werden. Außerdem bedeutet Erbpacht, dass die dort entstehenden Wohnungen nur verkauft werden können, wenn wir dem zustimmen. Damit können wir verhindern, dass Investoren Eigentumswohnungen bauen und auf den Markt bringen. Das ist die Linie, auf die wir uns 2015 festgelegt haben. Wenn in dem einen oder anderen Fall vielleicht doch einmal Wohnraum in Eigentumswohnungen umgewandelt wurde, dann waren das absolute Ausnahmen und Einzelfälle.

Auch mit Vermietungen kann man in Frankfurt die Preise in die Höhe treiben.

In der Tat nehmen wir den Investoren keine Selbstverpflichtung ab, die Wohnungen später nach Mietspiegel zu vermieten. Das wäre wohl auch gar nicht möglich. Es handelt sich bei unseren Liegenschaften meistens um Objekte, die sich nicht unbedingt als Luxuswohnungen anbieten. Zum Beispiel ist da oft eine Kindertagesstätte dabei oder ein Gemeindezentrum. Aber es ist schon wahr, dass gut ausgestattete Neubauwohnungen vermutlich nicht nach Mietspiegel vergeben werden.

Und selbst der Mietspiegel steigt ja kontinuierlich, weil er sich am Durchschnitt orientiert.

Ja, das stimmt. Die Kirche profitiert wie alle Grundstückseigner von den explodierenden Preisen. Das macht es uns zum Beispiel leichter, das Haus Am weißen Stein zu finanzieren. Oder andere Projekte anzugehen wie derzeit in der Nikolai-Gemeinde im Ostend, wo das alte Gemeindehaus und ein Wohngebäude abgerissen und an einen Investor vergeben werden, der einen neuen Gebäudeteil für Mietwohnungen errichtet. Wenn wir da mehr erlösen, kommt das dem Projekt zugute, nebenan die Kirche zu sanieren.

Manche werfen der Kirche vor, mit ihren Liegenschaften zu spekulieren, anstatt sie im Sinne der Menschen zu verwenden.

Das halte ich für falsche Polemik. Spekulation heißt doch, dass ich etwas kaufe, um einen ordentlichen Reibach abzuzocken. Das tun wir nicht. Diese Grundstücke gehören uns schon lange. Und wir vermarkten sie nicht, um den Immobilienboom auszunutzen, sondern weil wir ganz einfach in dieser Größenordnung keine Flächen mehr brauchen. Jetzt haben wir einfach nur ein bisschen Glück, dass das in eine Phase fällt, in der sich Liegenschaften in Frankfurt gut vermarkten lassen. Wenn wir hier in Duisburg wären, wäre die Situation deutlich anders.

Warum begnügt sich die Kirche nicht mit Preisen wie in Duisburg, um den Markt zu entlasten?

Unser Immobilienbestand ist nicht so groß, dass wir auf den Markt Einfluss nehmen könnten. Und es ist ja auch nicht unser Geld, um das es hier geht. Wir finanzieren unsere Arbeit aus der Kirchensteuer unserer Mitglieder, und deshalb müssen wir als Vorstand mit den Finanzmitteln verantwortlich umgehen. Wenn es die Möglichkeit gibt, über Liegenschaften Einnahmen zu erzielen, dann ist es unsere Verantwortung, das auch zu tun. Wie gesagt, wir tun das sehr moderat und holen eben nicht einfach raus, was wir rausholen können, sondern wir bringen es in ein insgesamt vertretbares Gleichgewicht.


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Antje Schrupp 238 Artikel

Dr. Antje Schrupp ist Chefredakteurin des EFO-Magazins. Die Journalistin und Politikwissenschaftlerin bloggt auch unter www.antjeschrupp.com Mastodon: @antjeschrupp@kirche.social

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