Die Fürbitten für einen Wandel im Iran tun gut
Sowohl in Frankfurt als auch in Offenbach haben sich aus dem Iran stammende Christinnen und Christen in den vergangenen Jahren evangelischen Kirchengemeinden angeschlossen. M. ist eine von ihnen. Ihren Namen nennt die 36-Jährige besser nicht, sie will ihre Angehörigen nicht gefährden. 2016 kam sie nach Deutschland, rasch suchte sie Kontakt zur Dreikönigsgemeinde in Frankfurt-Sachsenhausen.
Lektüre, auch eine Armenienreise, brachten ihr einst das Christentum nahe. Auf die Frage, ob sie im Iran schon Kontakte zu Christinnen und Christen hatte, ein deutliches „Nein“, ein Quentchen Schutz mag auch mitspielen. Pfarrerin Silke Alves-Christe hat die aus dem Süden des Irans Stammende, die inzwischen hier integriert ist und einen Vollzeitjob im Gesundheitsbereich hat, vor einigen Jahren getauft. „Auch jetzt hat sie mich besucht, gefragt, wie die Lage im Iran ist.“ Die Sachsenhäuser Pfarrerin ist ihr wichtig, ein Anker, „auch wenn ich es nicht immer in den Gottesdienst schaffe“.
Muslimin und zugleich in der Kirchengemeinde und für iranische Christ:innen aktiv
Farkhondeh Hasheminiya hat kein Problem, ihren vollen Namen zu nennen. Bei ihr ist die Lage anders. Die 63-Jährige kam vor Jahrzehnten nach Deutschland, verheiratet ist sie mit dem Kirchenvorstandsvorsitzenden der Evangelischen Maria-Magdalena-Gemeinde, Sachsenhausen. Hasheminiya ist weiterhin Muslimin. Sie hat ihre religiösen Wurzeln nicht gekappt, obgleich sie seit Jahren im Posaunenchor der Erlösergemeinde mitspielt und regelmäßig mit ihrem Mann Gottesdienste besucht.
Pfarrerin Stefanie Bohn von der Maria-Magdalena-Gemeinde habe die Menschen im Iran in ihre Fürbitten aufgenommen, in der Erlösergemeinde, Oberrad, habe Pfarrerin Anne-Katrin Helms ebenfalls wiederholt für die Frauen im Iran gebetet, die sich gegen den Kopftuchzwang wehren und für ihre persönliche Freiheit kämpfen. „Das hat gut getan“, sagt Hasheminiya.
Im Herbst gab es einen Konfirmand:innen-Tag in der Maria-Magdalena-Gemeinde, eines der Themen war schiitischer Islam und die Situation der Frauen im Iran; auch Kirchen-Cafés sonntags im Anschluss an die Gemeinde-Gottesdienste bieten Gelegenheiten, über die Situation im Iran zu berichten. Hasheminiya betont: „Kirche ist ein Sozialraum, wo man auf Themen aufmerksam machen kann“. Sie nutzt ihn, genauso wie ihr Handy. Die Sachsenhäuserin streut weithin Infos zum „Mullah-Staat“. Oder sie macht auf aktuelle Protestaktionen in Frankfurt aufmerksam, wie die Solidaritätsdemonstration, die am Weltfrauentag, 8. März, um 16.30 Uhr, an der Alten Oper startet.
Andocken in der Nord-Ost-Gemeinde
Zu den Gemeinden, in denen aus dem Iran stammende Christinnen und Christen angedockt haben, zählt die Evangelische Nord-Ost Gemeinde im Frankfurter Ostend, eine Personalkirchengemeinde, der sich die Menschen gezielt anschließen, weniger eine Quartierskirche. Michael Mehl, im Evangelischen Stadtdekanat Frankfurt und Offenbach für die internationalen Gemeinden zuständig, berichtet, „hier war vor einigen Jahren eine richtige Gruppe entstanden, in anderen Gemeinden sind es eher Einzelpersonen“.
Pfarrer Christian Oelke kam erst zu Pandemiezeiten in die Nord-Ost-Gemeinde. Zuvor habe es regelmäßig Übersetzungen im Gottesdienst gegeben, sein Vorgänger habe einen Glaubenskurs angeboten, in dem die Kenntnisse über das Christentum vertieft werden konnten, erzählt er. Oelke setzt das in der Form nicht fort, aber unverändert zieht die Gemeinde Menschen aus dem Iran an. Sie thematisieren ihm gegenüber ihren Glaubensweg. Gemeindeglieder, die nun schon länger der Nord-Ost-Gemeinde angehören, haben ihm von Verhaftungen wegen Konversion berichtet. „Diese Erfahrung haben einzelne Gemeindeglieder persönlich gemacht. In Deutschland wiederum wird ihr Glaube oft angezweifelt.“
Informationen über das Zentrum Oekumene
Von Zweifeln, die geäußert werden bezüglich der Ernsthaftigkeit des Glaubens, weiß auch Pfarrer Joachim Bundschuh vom Zentrum Oekumene der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und der Evangelischen Kirche von Kurhessen und Waldeck (EKKW) zu berichten. Er ist in dem in Frankfurt-Praunheim ansässigen Zentrum für die internationalen Gemeinden zuständig.
2016 sei ein Arbeitskreis „Flucht und Taufe“ gegründet worden, erzählt Bundschuh. Pfarrerinnen und Pfarrer, die wiederholt Geflüchtete, gerade auch aus dem Iran, im Erwachsenalter getauft haben, hätten sich darin verknüpft. Angefragt wird bei Bundschuh und dem Kreis, wie die Taufgespräche im Vorhinein gestaltet werden können, was alles zu berücksichtigen ist.
Aktuell erlebt Bundschuh, dass Pfarrerinnen und Pfarrer gefordert sind, weil aus dem Iran stammende Christinnen und Christen vermehrt Schreiben bekommen zwecks Überprüfung ihres Aufenthaltsstatus. „Es geht nicht unbedingt um Ausweisungen, aber so etwas erzeugt Stress“. Oftmals begleiten die Gemeindepfarrer:innen bei Amtsgängen oder helfen, die Papiere zu erledigen. Sie sind zu Vertrauenspersonen geworden.
Bundschuh erlebt Kirche als unterstützend und er erlebt auch, dass die aus dem Iran stammenden Christinnen und Christen sich zunehmend aktiv einbringen, beispielsweise bei der Gestaltung von Gottesdiensten. Das Zentrum Oekumene hat die hiesigen Liturgieformen in einem Heft auf Deutsch und Farsi zusammengebracht. Und bei einer interkulturellen Lektor:innen-Fortbildung haben Joachim Bundschuh und sein Team Christinnen und Christen, darunter drei iranischer Herkunft, ermutigt Gottesdienste in ihrer „Muttersprache“ zu halten. „Es ist wichtig, dass wir unseren aus dem Iran stammenden Geschwistern Gottesdienste in ihrer vertrauten Sprache anbieten können, Sprache ist einfach auch Heimat.“