Auch in Frankfurt erinnert eine Statue an die koreanischen „Trostfrauen“
Umgeben von rosa Blüten sitzt sie da, die bronzene Figur eines jugendlichen Mädchens. Gekleidet im traditionellen koreanischen Hanbok, barfuß, ihre Fäuste geballt. Sie sitzt auf einem Stuhl, daneben ein zweiter leerer Stuhl. Auf ihrer Schulter sitzt ein Vogel. Hinter der Figur bildet ein Mosaik am Boden den Schatten des Mädchens ab. Es ist die Silhouette einer alten Frau, darin ein weißer Schmetterling. Das Bildnis strahlt auf den ersten Blick eine Ruhe und Friedlichkeit aus. Erst die anliegende Infotafel aus schwarzem Stein zeigt die tragischen Hintergründe. Es ist eine Friedensstatue, errichtet in Erinnerung an die sogenannten „Trostfrauen“. Ein Euphemismus für Mädchen und Frauen, die im zweiten Weltkrieg von der japanischen Armee zwangsprostituiert wurden.
Seit März 2020 erinnert die Statue in Frankfurt-Gallus an dieses brutale und oft übersehene Kapitel des zweiten Weltkriegs. In der Koreanischen Gemeinde hatten sie sich zu diesem Zeitpunkt schon seit Jahrzehnten mit dem Thema beschäftigt, sagt Hanna Lie. Sie ist eine der Hauptverantwortlichen für die Friedensstatue. Sie und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter machen seit den 90er Jahren in Deutschland auf das Schicksal der „Trostfrauen“ aufmerksam. „Als wir das alles erfahren haben, haben wir gedacht ‚wir müssen diese Leute interviewen und das auch auf Deutsch übersetzen“, so Lie. Auf den Evangelischen Kirchentagen haben sie immer wieder über das Thema informiert. „Wir haben Unterschriften gesammelt und Betroffene aus Korea eingeladen“.
Mit ihrer Arbeit ist Lie Teil einer großen internationalen Bewegung, die für die Würde der betroffenen Frauen einstehen und allen voran die Aufklärung der Geschehnisse vorantreiben will. Denn vieles ist noch völlig unklar. Zum Beispiel, wie viele „Trostfrauen“ es wirklich gab. Angaben schwanken zwischen 20.000 und 200.000 Menschen. Ein großer Teil der Frauen soll aus Korea gekommen sein. Aber auch aus China, Indonesien, den Philippinen und anderen Ländern, unter anderem Japan selbst, wurden Frauen in die japanischen Kriegslager verschleppt. Was die kaiserliche Armee als „Trost“ für eine bessere Moral ihrer Soldaten bezeichnete, bedeutete für die Mädchen und Frauen schwere Misshandlungen. Betroffene sprechen von dutzenden Vergewaltigungen pro Tag. Schätzungen gehen davon aus, dass nur 30 Prozent der Frauen den Krieg überlebten. Nach 1945 sollen in Japan viele Dokumente vernichtet worden sein, um die eigenen Männer vor der Verurteilung als Kriegsverbrecher zu bewahren. Viele der überlebenden Frauen wurden vom japanischen Militär ermordet oder an der Rückkehr in die Heimat gehindert. Diejenigen, die es in die Freiheit schafften, schwiegen oft bis ans Lebensende aus Scham oder wurden stigmatisiert und an den Rand der Gesellschaft gedrängt.
Erst Ende der 1980er Jahre, machen in Süd-Korea Opfer der Zwangsprostitution ihr Schicksal öffentlich. Damit wurde eine Protestwelle losgetreten, die das Thema immer mehr in die Mitte der Gesellschaft brachte und die Beziehungen zwischen Korea und Japan bis heute belastet. Über die Jahrzehnte gab es verschiedene Versuche, den Streit zwischen den Ländern beizulegen. Es gab offizielle Entschuldigungen seitens Japans, und auch Entschädigungszahlungen an die Betroffenen der Zwangsprostitution wurden teilweise ausgezahlt. Doch wegen dem starken Widerstand der Opfer und ihrer Hinterbliebenen und der immer noch sehr lückenhaften Aufklärung der Geschehnisse besteht die Kontroverse um das Thema „Trostfrauen“ weiter. Als Ausdruck dieses Konflikts entwarf das koreanische Künstlerehepaar Kim Seo-Kyung und Kim Eun-Song auch die erste der bronzenen Friedensstatuen. Sie wurde im Dezember 2011 vor der japanischen Botschaft in Seoul enthüllt. Mittlerweile gibt es ähnliche Mahnmale etwa in den USA, Kanada, Australien, Hongkong und eben auch in Deutschland.
Der japanischen Regierung sind die Statuen ein Dorn im Auge. Und so kam mit dem bronzenen jugendlichen Mädchen die Kontroverse um die „Trostfrauen“ auch hierzulande an. So scheiterte 2017 der erste Versuch, eine Friedensstatue in Deutschland zu errichten, an dem diplomatischen Widerstand aus Tokio. Das Mahnmal hätte in Freiburg im Breisgau errichtet werden sollen. Und auch auf dem Gelände der Universität Kassel sorgte eine der Statuen für Konflikt. Dort hatte die Studierendenvertretung in Zusammenarbeit mit dem Korea-Verband im Jahr 2022 eine Friedensstatue aufgestellt. Die Universitäts-Leitung ließ diese aber nach mehreren Monaten wieder abbauen. Zu den Hintergründen gibt es widersprüchliche Darstellungen.
Die größte Kontroverse gibt es aber wohl um die Statue, die bis heute im Berliner Stadtteil Moabit steht. Diese wurde am 28. September mit Genehmigung des Bezirksamtes Berlin-Mitte eingeweiht. Einen Tag später kündigte die japanische Regierung an, gegen das Mahnmal vorzugehen, zunächst scheinbar mit Erfolg. Nur 10 Tage nach Errichtung der Statue, zog das Bezirksamt seine Genehmigung zurück. Seitdem ist die Statue Mittelpunkt eines politischen und rechtlichen Streits zwischen verschiedenen lokalen Gremien, dem Korea-Verband und der japanischen Regierung. Noch aber steht das Denkmal, und das, obwohl sich der Berliner Oberbürgermeister Kai Wegner zuletzt für eine Entfernung aussprach. Begründung: es dürfe keine „einseitige Darstellung“ des Themas geben.
Dass die Statue vor dem Gebäude der Koreanisch-Evangelischen Gemeinde in Frankfurt von ähnlichen politischen Kontroversen verschont geblieben ist, hat laut Jun-Suk Kang, Mitglied des Kirchenvorstands der Gemeinde, mehrere Gründe. „Es sind fünf Institutionen, die gemeinsam dieses Projekt durchgeführt haben.“ Neben seiner Gemeinde seien auch verschiedene Gremien der EKHN und EKKW sowie das Evangelische Stadtdekanat Frankfurt und Offenbach beteiligt gewesen. „Wir hatten lange Zeit das Projekt zu besprechen, und es dann auch umzusetzen“, so Kang. Teil dieser Vorbereitung sei auch ein gemeinsamer Vertrag zwischen den Institutionen, in dem sich alle Parteien gegenseitig versichern, im Falle eines Protests gegen die Statue gemeinsam für ihren Erhalt einzustehen. Kang betont außerdem einen weiteren Aspekt, der das Denkmal in Frankfurt, von dem in Berlin unterscheidet. „Wir haben diese Statue nicht auf einem öffentlichen Grund stehen. In Berlin ist das ein öffentlicher Platz, wo sicherlich auch die Politik ein Wörtchen mitzureden hat.“ Die Fläche, auf der das Denkmal in Frankfurt steht, ist im Besitz des Evangelischen Regionalverbandes, außerhalb der Handhabe des japanischen Konsuls, sagt Kang. Auf diese Weise hat auch die Statue, die ursprünglich als erste Deutschlands in Freiburg landen sollte, mittlerweile einen dauerhaften Platz gefunden. Auf privatem Grund im Nepal-Himalaya-Park bei Regensburg.
Dass es aber überhaupt so eine Kontroverse um die Statuen gebe, sieht Kang als Teil eines viel größeren Problems. „Das ist ganz systematischer Geschichtsrevisionismus. Das fängt schon damit an, dass das in Japan in der Schule nicht thematisiert wird.“, so Kang. Diesen Revisionismus wolle die japanische Regierung auch auf ihre Darstellung im Rest der Welt anwenden. Und das versuche sie, so Kang deutlich, „leider häufig mit Erfolg“.
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