Corona: Pflegeheime schauen mit Sorge auf den Herbst
Ein Sommernachmittag im August: Reges Treiben auf dem Hof des Anni-Emmerling-Hauses der Diakonie Frankfurt und Offenbach. Die Damen und Herren sitzen in Grüppchen auf der Terrasse und sind munter am Plauschen. „Die Cafeteria wird hier viel genutzt“, sagt Susanne Hesel, Leiterin des evangelischen Alten- und Pflegewohnheims in Offenbach-Rumpenheim. Ein Mann verweilt am Rande der Terrasse, er schiebt den Rollstuhl seiner Frau in Richtung Schatten. Jeden Tag sei er gekommen – bis zum 21. März 2020 – dann galt für drei Monate ein Besuchsstopp. Mit Päckchen, Briefen, Grüßen über die Eingangsschleuse haben sich die Leute danach beholfen. „Ein anderer Mann brachte täglich seiner Frau ein Bier und Süßigkeiten“ erzählt Hesel. Vom Balkon herab wurde in Lockdown-Zeiten gewunken und mit Abstand durchs offene Fenster gesprochen.
79 Personen leben im Bereich des Betreuten Wohnens, für sie galten die allgemein üblichen Beschränkungen. 80 Bewohner leben im Pflegeheim in Einzel- und Doppelzimmern, aufgeteilt auf drei Wohnbereiche. „Wir haben die drei Gruppen jeweils wie einen Haushalt behandelt“, berichtet die 52 Jahre alte Leiterin der Einrichtung. Zwischen den „Haushalten“ wurde strikt getrennt, extra Kräfte für die Nachtschichten wurden eingesetzt, damit jeder Wohnbereich einen Nachtdienst hatte.
Seit damals und bis heute tragen die Mitarbeitenden Maske. Die Pflegeheimbewohner:innen waren hiervon befreit. „Viele leiden unter einer Demenz, so dass es nicht möglich ist, diesem Personenkreis Corona-Maßnahmen zu erklären“, sagt Hesel. Froh und auch ein wenig stolz ist die Sozialpädagogin: „Zum Glück hatten wir keinen Ausbruch“. Es gab einzelne von außen hereingetragene Corona-Infektionen in dem Haus – sowohl bei Bewohnerinnen und Bewohnern als auch bei Mitarbeitenden. Sofort wurde jeweils isoliert, in Quarantäne gegangen, auf dass das Virus nicht überspringen konnte. Einzelne Zimmer blieben zeitweilig ungenutzt – damit immer für Quarantäne und Isolation Raum verfügbar war.
Inzwischen sind fast alle Beschäftigten geimpft. Wer dies nicht möchte, wird alternativ regelmäßig getestet und trägt Schutzkleidung. Ebenso hoch ist die Anzahl der geimpften Bewohner:innen. Nur zwei wollten sich nicht impfen lassen. Bei Ereignissen wie den regelmäßigen Gottesdiensten am Montagnachmittag im Hof oder dem Sommerfest, das mit Akkordeonspiel vonstattenging, hätten diese sich testen lassen müssen, berichtet Hesel.
Zu allen Zeiten, auch jetzt im August, hängt ein Besuchsverbotsschild an der zentralen Eingangstür. Einfach reinmarschieren geht nicht. Zwei junge Frauen wurden extra angeheuert für das Management der Besuche. Zeiten finden, Orte organisieren, Desinfektion veranlassen nach den Treffen – ein paar Stichworte des erforderlichen Rahmens. Die Festangestellten sind ausgelastet – und mehr als das. „Ich bin meinen Mitarbeitenden sehr dankbar“, diesen Satz lässt Susanne Hesel, die seit neun Jahren das Anni-Emmerling-Haus leitet, im Gespräch nicht nur einmal fallen. Unermüdlich seien die rund 60 Beschäftigten im Einsatz. Und wenn etwas wie das Sommerfest ansteht, dann packten sie an, „obwohl keine Angehörigen kommen durften, hatten wir mehr Kuchen denn je“.
Mitarbeitende berichten, dass Frau Hesel auch selbst tatkräftig mitanpackt in diesen schwierigen Zeiten. Das trägt mit, wenn die Anforderungen deutlich über das Übliche hinausgehen und auch an der Entlastung geknapst werden muss. In den kalten Monaten gab es Pausen nur unterm Heizpilz im Außenzelt, um Infektionen zu verhindern: Zwiegespräche ersetzten bei den Schichtwechseln größere Gesprächsrunden. Das Personal stellte sich darauf ein.
„Wir sind bisher gut durch die Pandemie bekommen“, äußert Hesel und betont das Wort bisher. Auch sie schaut mit Stirnfalten auf den Herbst. Das Anni-Emmerling-Haus nimmt an einer Studie der Frankfurter Universitätsklinik teil. Sowohl Mitarbeitenden als auch den Bewohnnerinnen und Bewohnern wurde in dieser Woche eine Blutprobe abgenommen, 100 an der Zahl sind es: „ich bin gespannt, aufs Ergebnis“ – die Anzeige der Abwehrkräfte, so Hesel. Das hilft dann eventuell auch bei den Einschätzungen für den Herbst.
In anderen Lebensabschnitten lassen sich Vergnügungen verschieben. Bei der einen oder dem anderen im Anni-Emmerling-Haus hat nicht nur Corona in den vergangenen anderthalb Jahren den Radius verkleinert. Im Alter, wenn die Zeit schwindet, ist so ein Nachmittag in der Sonne, ein Kaffee, ein Schwatz, das Miteinandersein, etwas besonders Wertvolles.