Offenbach lokal

„Gesegnet sei das neue Haus“

Richtfest für den Neubau der Wohnungsnotfallhilfe der Diakonie an der Gerberstraße in Offenbach.

Fünf Geschosse für die Arbeit der Wohnungsnotfallhilfe der Diakonie in Offenbach. |
Fünf Geschosse für die Arbeit der Wohnungsnotfallhilfe der Diakonie in Offenbach. | Bild: Claudine Kuschel

Mit wehenden bunten Bändern schwebt die Richtkrone hoch über dem Neubau des Sozialdienstes Offenbach Wohnungsnotfallhilfe an der Gerberstraße 15. Oben auf dem Gerüst im 5. Stock steht Tobias Stahl, Geselle der Firma Holzbau Weidl, in den Händen den ausgedruckten Richtspruch, auf dem Kopf den traditionellen Zimmermannshut. Hoch oben über den Köpfen der Bauleute und Gäste des Richtfestes ruft er „Gesegnet sei das neue Haus und die da gehen ein und aus. Den Bauherrn, seine Bewohner, möge nie ein Leid betrüben; Hoch!“ Fünf Stockwerke tiefer rufen ein paar ebenfalls „Hoch!“ während der Zimmermann den letzten Schluck nimmt und das Weinglas zersplittert. „Das bringt Glück“ freuen sich die Gäste.

Zentrale Anlaufstelle für Menschen ohne Wohnung in Offenbach
Robert Brendel, Geschäftsführer Diakonie und Seelsorge im Evangelischen Regionalverband, tritt auf den eigens ausgelegten grünen Nadelfilz, um allen am Bau Beteiligten herzlich für den Baufortschritt zu danken. Seit vielen Jahren hat Robert Brendel sich für neue Räume für die Wohnungsnotfallhilfe der Diakonie in Offenbach eingesetzt, die 2023 ihr 50-jähriges Bestehen feierte und eine zentrale Anlaufstelle für Menschen ohne Wohnung und Personen mit wenig Einkommen in Offenbach ist. „Nach 50 Jahren freue ich mich ganz besonders, dass wir etwas ganz Modernes auf die Beine stellen und Strahlkraft erzeugen“, sagt Brendel und lächelt.

Auch Mitarbeitende des Sozialdienstes Offenbach Wohnungsnotfallhilfe betreten zum ersten Mal das Gebäude im Rohbau, das sie im Frühling 2025 beziehen wollen. Sie lassen bewundernd die Blicke schweifen, selbst im Rohbau ist es hell, der Zuschnitt der Räume zeigt, dass Teestube und Fachberatung, die Etagen mit Notbetten und Apartments für Männer und Frauen ein gutes Arbeiten in den neuen Räumen ermöglichen werden. Das alte Gebäude am selben Ort, das in Teilen aus den 1890er Jahren und aus den 1950er Jahren stammte, war sanierungsbedürftig, darin mit Wohnungslosen und Menschen mit schlankem Geldbeutel zu arbeiten, glich eher einem Provisorium, „jetzt stehen wir auf ganz anderen Beinen“, freut sich Robert Brendel.

Gurkensalat und panierte Schnitzelchen
Rund 35 Handwerker aus verschiedenen Gewerken zogen den Rohbau hoch, der sich leicht verzögerte, weil in der gewachsenen historischen Bausubstanz unvorhergesehen eine Nachbarwand gesichert werden musste, wie Marcus Liedtke, Geschäftsführer des Bauunternehmens Jöst erläuterte. Entwurf und Ausführungsplanung des 2000 Quadratmeter großen Neubaus stammen aus den Händen von Studio Schermelleh Architektur. Beim Richtfest ließen sich am Bau Beteiligte und Gäste Kartoffelgratin und Leberkäse, Gurkensalat und panierte Schnitzelchen schmecken. Bauherr Oliver Wiegand von OWF Grundbesitz GmbH richtete das Fest aus.

Nun geht es weiter mit dem Innenausbau des Hauses, das rund acht Millionen Euro kosten wird. Robert Brendel von der Diakonie Frankfurt und Offenbach bedankte sich bei der Stadt Offenbach und dem Landeswohlfahrtsverband, die den Neubau fördern. Erstmals seit 2010 werden wohnungslose Frauen in Offenbach dort wieder eine Unterkunft finden. Mit drei Einzelzimmern im Notbettbereich und vier Apartments für Frauen, die maximal zwei Jahre bleiben können, um wieder Ordnung in ihr Leben zu bringen. Und mit einem Aufzug, der für Barrierefreiheit sorgt. Der Kleiderladen wird in den Neubau ebenso ziehen wie das Angebot des Betreuten Wohnens, das Menschen in Krisen in der eigenen Wohnung unterstützt. „Ich bin sehr glücklich, es ist eine gute Entwicklung“, sagt Robert Brendel.


Autorin

Susanne Schmidt-Lüer ist Mitglied der Stabsstelle Kommunikation, Marketing und Fundraising des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt und Offenbach. Sie schreibt auch als freie Autorin, vor allem über Sozialpolitik, Kirche, Alter und wirtschaftspolitische Themen.