Protestantismus in Offenbach, Teil 4: Vom Nationalsozialismus bis heute
Der Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg bedeuten für die evangelischen Gemeinden in Offenbach große Einschnitte, schon durch die Spaltung in NS-nahe „Deutsche Christen“ und in die Anhänger der „Bekennenden Kirche“: Während in der 1938 erbauten Bieberer Lutherkirche das Verständnis einer NS-nahen Ideologie in Stein errichtet wurde, zählt etwa die um die Jahrhundertwende entstandene Friedenskirche im Westen der Stadt zu den Gemeinden, deren Pfarrer dieser Ideologie ein anderes christliches Selbstverständnis entgegenhielt. Im Zweiten Weltkrieg schließlich wurde ein Großteil der Kirchen zerstört.
Der Wiederaufbau der Kirchengebäude beschäftigte die Gemeinden lange, durch Vertriebene aus den Ostgebieten änderte sich zudem auch die religiöse Zusammensetzung der Stadt. Dennoch prosperierte nach dem Krieg das kirchliche Leben in Offenbach, die Kirchen sorgten mit für die sittliche Erneuerung nach der NS-Zeit. Der Bevölkerungszuwachs setzte sich nun fort und mit neuen Baugebieten wie dem Lauterborn entstanden neue protestantische Gemeinden. Bis in die 1980er Jahre zählte Offenbach neben den „traditionellen“ protestantischen Gemeinden der Schloss- und der Stadtkirche sowie der französisch-reformierten Gemeinde und der drei Stadtteilgemeinden Bieber, Rumpenheim und Bürgel noch die Luther-, Friedens-, Paul-Gerhardt-, Lauterborn-, Markus-, Lukas-, Matthäus-, Johannesgemeinde sowie die Erlösergemeinde Waldheim, die sowohl Offenbacher wie Mühlheimer Stadtgebiet umfasst.
Dann setzt ein deutlicher Mitgliederschwund ein, der im neuen Jahrtausend schließlich zu drastischen Veränderungen führt: Ab 2013 werden Gemeinden zusammengelegt und Immobilien verkauft. Mit der Mirjamgemeinde entsteht 2014 eine Großgemeinde aus dem Zusammenschluss von Luther-, Paul-Gerhardt-, Schloss- und Lauterborngemeinde, auch die Gemeinden Lukas und Matthäus fusionieren. Zum 1. Januar 2019 tritt das Dekanat Offenbach dem Frankfurter Stadtdekanat bei und bildet das neue Stadtdekanat Frankfurt und Offenbach.
Mit der Stadtkirche und der Französisch-reformierten Kirche aber bleibt die protestantische Tradition der Stadt weiterhin in ihrem Zentrum sichtbar. Die liberale Haltung verschiedener Fürsten, die in Offenbach residierten und unterschiedlichen Glaubensrichtungen Toleranz gewährten, ebenso wie der einstige Wohlstand der Stadt in kultureller wie wirtschaftlicher Hinsicht bleiben ebenfalls spürbar, etwa durch die Kirchengebäude, das Büsing-Palais, die ehemalige Synagoge oder das Musikhaus André. Dass heute über 150 Nationen friedlich in Offenbach leben, mag auch eine Erinnerung an die „Offenbacher Toleranz“ des Protestantismus sein.
Zum Anfang der Serie Protestantismus in Offenbach - Der Beginn im 16. Jahrhundert
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