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Juwele der Kirchengeschichte, Teil 11: die Französisch-reformierte Kirche in Offenbach

Im Jahr 1713 schenkte Graf Philipp von Ysenburg den Flüchtlingen, die als Hugenotten aus Frankreich gekommen waren, ein Grundstück am Stadtrand. Die dort 1717/1718 erbaute Französisch-reformierte Kirche ist die älteste Kirche im Offenbacher Stadtgebiet.

Der Innenraum der Französisch-reformierten Kirche in Offenbach ist schlicht gehalten. Das Gemeindewappen zeigt die Jünger auf dem See Genezareth im Sturm und trägt die Inschrift: "Herr, hilf uns, wir gehen unter. 1699" | Foto: Rolf Oeser
Der Innenraum der Französisch-reformierten Kirche in Offenbach ist schlicht gehalten. Das Gemeindewappen zeigt die Jünger auf dem See Genezareth im Sturm und trägt die Inschrift: "Herr, hilf uns, wir gehen unter. 1699" | Foto: Rolf Oeser

Als König Ludwig XIV. von Frankreich hob 1685 das Edikt von Nantes aufhob, brach eine schwere Zeit für die evangelischen in Frankreich an. Das Edikt hatte ihnen nämlich Gewissensfreiheit und Bürgerrechte zugesichert. Doch Ludwig, der absolutistische „Sonnenkönig“, wollte in seinem Land nur noch den römisch-katholischen Glauben dulden.

Zahlreiche Hugenotten, die französischen Protestanten, flohen daraufhin aus Frankreich. Auf der Suche nach einer neuen Heimat kam eine Gruppe von ihnen nach Offenbach am Main. Graf Johann Philipp von Ysenburg-Büdingen, der selbst dem reformierten Glauben angehörte, sicherte den Flüchtlingen Hilfe zu.

Damit waren die Grundlagen für die Gründung der Französisch-Reformierte Gemeinde Offenbach im Jahr 1699 gelegt. Die liberale Einwanderungspolitik des Grafen war weitblickend: Die fleißigen, handwerklich gut ausgebildeten Franzosen und Französinnen sorgten für kulturellen und wirtschaftlichen Aufschwung in seiner Stadt.

Im Jahr 1713 schenkte Graf Philipp von Ysenburg der Gemeinde ein am Stadtrand liegendes Grundstück, auf dem sie ab 1717 mit dem Bau einer Kirche begann, in der schon ein Jahr später der erste Gottesdienst (in französischer Sprache) gefeiert wurde.

Die barocke Kirche ist die älteste im Stadtbereich von Offenbach. Sie wurde in der für die hugenottische Bauweise typischen Scheunenform erbaut. Fügte sich der Kirchenbau damals unscheinbar in die bestehende Bebauung ein, so steht das Kirchengebäude heute isoliert zwischen modernen Neubauten in der Innenstadt.

Die jetzige neobarocke Fassade entstand bei einer Renovierung in den Jahren 1874/1875. Untypisch für einen Bau der Französisch-Reformierten Kirche waren die baulichen Erweiterungen 1894, bei denen gemalte Fenster, Kassettendecke und ein Fries eingearbeitet wurden. Deshalb wurden sie bei einer späteren Renovierung auch wieder entfernt.

Nach den Reformatoren Zwingli und Calvin ist Gottes Wort allein Maßstab und Mitte des Gottesdienstes und allen gemeindlichen Lebens. Deshalb sind reformierte Kirchen nach dem „Bilderverbot“, dem zweiten der zehn Gebote, sehr schlicht gehalten.

Im Blickpunkt der Offenbacher Kirche ist eine einfache hölzerne Kanzel. Vor ihr steht in der Mitte der Abendmahlstisch, auf dem allein die Bibel liegt. Über der Kanzel hängt seit 1990 ein Schriftteppich in der Tradition der Offenbacher Schriftkunst, der die erste Frage des Heidelberger Katechismus von 1953 zitiert: „Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben? Dass ich mit Leib und Seele beides im Leben und im Sterben nicht mein, sondern meines getreuen Heilandes Jesu Christi eigen bin.“

Auf der Empore steht die im Vergleich zur kleinen Kirche große romantische Walcker-Orgel von 1838. Sie gehört zum Weltkulturerbe.

Erwähnenswert ist schließlich auch das Wappen der Gemeinde, das im Windfang der Kirche hängt. Es stellt das mit den Wellen ringende Schiff der Jünger Jesu auf dem Galiläischen Meer dar und trägt die Umschrift „domine serva nos perimus. 1699“ - „Herr, hilf uns, wir gehen unter. 1699“ (Matthäus 8,25, Zürcher Bibel). Ursprünglich wohl nur als Erinnerung an die leidvollen Erfahrungen der hugenottischen Flüchtlinge gedacht, hat es die Gemeinde durch viele Bedrängnisse begleitet.

Durch eine private Erbschaft kam die Französisch-Reformierte Gemeinde auch in den Besitz des fast gegenüberliegenden Pfarrhauses in der Herrnstraße: Das Barockhaus aus dem ersten Viertel des 18. Jahrhunderts ist eines der wenigen noch heute erhaltenen Hugenottenhäuser. Es dient als Gemeindezentrum und steht unter Denkmalschutz. Auch die 300-jährige Eiche im Pfarrgarten steht seit 2017 unter Naturschutz.

Französisch-Reformierte Kirche Offenbach. Herrnstraße 66.63065 Offenbach. Sonntagsgottesdienst: 10 Uhr. Führungen können über das Gemeindebüro vereinbart werden. Es ist Dienstag und Donnerstag von 10.30 bis 12.30 Uhr geöffnet. Gemeindesekretärin: Petra Kopp. Telefon: 069/81 48 94. E-Mail: gb@frgo1699.de.

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Autorin

Stephanie von Selchow ist Redakteurin des EFO-Magazins.

1 Kommentar

3. April 2023 20:04 Uwe Kai Jacobs

Danke, dass Sie diese schöne Innenstadtkirche würdigen, die zu den wenigen Gebäuden gehört, die von den Ursprüngen des heutigen Offenbach erzählen. Ein Bau, der Karriere als Identitätsobjekt gemacht hat: von der "Scheunenkirche" zum Wahrzeichen der Stadt.

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