Dolmetschen und Impulse sammeln
Die Waldenser-Bewegung entstand Ende des zwölften Jahrhunderts, die Waldenser Kirche versteht sich als Vorläuferin des reformatorischen Protestantismus, sie zählt aktuell weltweit annähernd 100.000 Mitglieder. Ludwig Schneider-Trotier, Pfarrer der Französisch-Reformierten Gemeinde in Offenbach, fühlt sich dieser Kirche eng verbunden: „Sie entstand als ,mittelalterliche Armutsbewegung‘“, ein Gedanke, der ihm gefällt. Dieser Tage kehrte er von der Synode der Waldenser in Torre Pellice (Turin) zurück. Seinen Italienurlaub verknüpfte er mit einem Einsatz als Dolmetscher bei dem internationalen Treffen, die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hat ihn für den Dienst während der Synode freigestellt.
Schneider-Trotier absolvierte im Laufe des Studiums ein Jahr an der Waldenser Fakultät für Theologie in Rom. Ein Jahr seines Vikariats verbrachte Schneider-Trotier in Villasecca, einer Waldenser Gemeinde in den Alpen bei Turin. In dieser Zeit vertiefte er sich in Wirken und Historie der Waldenser, erfuhr mehr über deren Überleben in inquisitorischen Zeiten in abgelegenen Tälern und Höhlenkirchen. Heute ist die evangelisch-reformierte Waldenser Kirche in Italien mit den Methodisten verknüpft. Sie legt ihren Schwerpunkt auf die Diakonie.
Auf vielerlei Weise knüpfe das Gemeindeleben der Französisch-Reformierten an Waldenser-Ideen an, erläutert Schneider-Trotier. Zum diakonischen, dem sozial-kirchlichen Ansatz der Waldenser passe die Mitarbeit bei der stadtweiten Aktion „Essen und Wärme für Bedürftige“. Die hat einer seiner Vorgänger in der Französisch-Reformierten Gemeinde, Pfarrer Günter Krämer, ins Leben gerufen, in Kooperation mit vielen anderen christlichen Gemeinden, inzwischen auch mit der Ahmadiyya-Muslim-Gemeinde. Schneider-Trotier erwähnt den Freizeit-Treff inklusiv, den er mit seiner Kollegin Christiane Esser-Kapp betreut, die zudem die inklusiven Gottesdienste verantwortet. Den Orff-Kreis der Französisch-Reformierten Gemeinde, ausgeschrieben für „Menschen mit und ohne Lernschwierigkeiten“, zählt er auf, die vielfältige Mitwirkung ehrenamtlicher Diakoninnen und Diakone. Ähnlich den Waldenser Gemeinden Italiens prägen auch Migrant:innen aus Afrika das gemeindliche Miteinander. Partnerschaften bestehen seit 1999 mit der Waldenser Gemeinde Turin und der Reformierten Gemeinde Marsillargues in Südfrankreich.
Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, zu der die Französisch-Reformierte Gemeinde gehört, pflegt seit Jahrzehnten eine Partnerschaft mit der italienischen Schwesterkirche der Waldenser. EKHN-Kirchenpräsident Volker Jung war mit einer kleinen Delegation nach Torre Pellice, dem Zentrum der Waldenser im Piemont, gereist. Schneider-Trotier arbeitete als Dolmetscher auf der Synode für Jung, seine Delegation und viele andere deutschsprachige Gäste. Welche Wirkkraft diese kleine Gemeinschaft auch als Minderheit hat, beeindruckte Kirchenpräsident Jung. Den Einsatz für die Diakonie halte er für bemerkenswert, sagte er wieder zurückgekehrt nach Hessen.
Schneider-Trotier ist froh über diese Einschätzung, für ihn ist es ein Ansatz, dem er sich bei seiner Arbeit verpflichtet sieht. Den Offenbacher freut, dass er in der Region damit nicht alleine steht. Zu den Stationen des Hugenotten- und Waldenser-Pfads, der sich durch Frankreich, Italien, die Schweiz und Deutschland zieht, gehören nicht nur die Kirche an der Herrnstraße, sondern beispielsweise auch andere Orte verfolgter Glaubensflüchtlinge, wie Walldorf, Dornholzhausen und Neu-Isenburg.