Das Leben in Deutschland neu "designen"
Sie kommen nach Deutschland, weil ihnen Arbeit versprochen wird. Auf dem Bau zum Beispiel oder in einem Sicherheitsdienst. Doch mit dem Job klappt es oft nicht, eine Wohnung ist schwer zu finden. „Viele EU-Bürger:innen, die neu in Offenbach sind, kommen mit falschen Vorstellungen und sind völlig unvorbereitet auf das Leben hierzulande“, sagt Norbert Mark. Der Sozialarbeiter der Diakonie Frankfurt und Offenbach hat deshalb EU-Bürger:innen aus Ost- und Südosteuropa, die nach Offenbach zuwanderten, in einem fast drei Jahre währenden Projekt unterstützt. Im Sommer 2020 startete „design = wie gestalte ich mein Leben in Deutschland“ der Diakonie Frankfurt und Offenbach. Finanziert wurde es zu 50 Prozent aus Eigenmitteln der Diakonie und zu 50 Prozent aus dem Landesprogramm „WIR“ des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration.
Einfach kommen, ohne Termin
Rund 350 Ratsuchende fanden bei „design“ bis zum April 2023 ganz niedrigschwellig Beratung und Unterstützung. Ohne Termin kamen sie in die Sprechstunden in den Stadteilbüros Nordend, Mathildenviertel, Lauternborn und Senefelder Quartier. Oder sie nahmen per Mobiltelefon mit Sozialarbeiter Norbert Mark Kontakt auf, der mehrere Sprachen spricht: „Die Ratsuchenden sind dann direkt in das Stadtteilbüro gekommen, in dem ich gerade war oder in die Fachberatung der Diakonie.“
Hilfe bei Verständigungsproblemen
Während der Corona-Pandemie war der direkte Draht zu „design“ besonders wichtig, denn Behörden und andere Institutionen verwiesen oft auf ihren Online-Auftritt oder waren nur nach Wartezeiten zugänglich. „Viele Klienten konnten dies wegen Sprachhindernissen und anderen Verständigungsschwierigkeiten nicht nutzen“, sagt Mark.
Ausweispapiere fehlen, manche haben keine Postanschrift
Ohne Hürden einen Anlaufpunkt bieten, den Zugang zu Ämtern und Institutionen erleichtern, bei der Wohnungs- und Arbeitssuche und der Integration unterstützen: Das war das Ziel von „design“. Die meisten Klient:innen kamen aus Rumänien, Bulgarien und Polen. Viele ohne Anspruch auf Sozialleistungen und nur mit vorübergehenden Unterkünften. Sprachlotsen und -lotsinnen des Freiwilligenzentrums Offenbach leisteten Übersetzungshilfen. „Wo gibt es Masken, wie erhalte ich einen Impftermin, welche Gesundheitsrisiken bestehen?“ Dies waren häufig gestellte Fragen während der Pandemie. „Gemeinsam mit dem Gesundheitsamt der Stadt Offenbach haben wir zwei Impfaktionen organisiert“, sagt Norbert Mark. Sonst wären Klient:innen, denen teilweise Ausweispapiere fehlten oder die keine Postanschrift hatten, gar nicht erreicht worden.
Auch wer länger hier lebt, braucht Unterstützung
Norbert Mark ebnete Zugewanderten den Weg zu Ämtern und weiteren Beratungsstellen, unterstützte beim Ausfüllen von Anträgen an das Jobcenter, an Wohnungsbaugesellschaften oder Sozialbehörden. Beratungsbedarf besteht allerdings nicht nur bei Neuzugezogenen, sondern auch bei bereits in Offenbach lebenden Bürger:innen aus der EU und aus Südosteuropa. „Dies liegt an unterschiedlichen kulturellen Hintergründen, sprachlichen Verständigungshindernissen oder mangelnden PC-Kenntnissen“, sagt Mark. Er erlebte, dass für manche wegen ihres komplexen kontinuierlichen Beratungsbedarfs „design die letzte Hoffnung war.“ Der Anteil der EU- Bürger:innen in Offenbach liegt bei rund 23 Prozent. Die meisten stammen aus Rumänien, Bulgarien, Polen, Kroatien und Griechenland.
Neues Projekt L-Off – Leben in Offenbach, ist gestartet
„Wir sind sehr froh, dass ein nahtloser Übergang zu einem neuen Projekt möglich ist. Gemeinsam mit dem Caritasverband Offenbach/Main e. V. starteten wir Anfang des Jahres ,L-Off – Leben in Offenbach‘“, sagt Karin Kühn, Arbeitsbereichsleiterin Diakonische Dienste der Diakonie Frankfurt und Offenbach. Das Projekt wird mit Mitteln des Europäischen Hilfsfonds aus dem Programm EhAP Plus (Europäischer Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen) finanziert. „Dieses Projekt hat ebenfalls zum Ziel, die Lebenssituation von besonders benachteiligten EU-Bürger: innen sowie von wohnungslosen und von Wohnungslosigkeit bedrohten Menschen zu verbessern“, sagt Kühn. Durch die aufsuchende, muttersprachliche Arbeit werden auch Strafentlassene, Minderheiten, Armutsprostituierte und junge Erwachsene, die den Übergang von der Jugendhilfe in die Selbständigkeit gestalten, sogenannte Careleaver, angesprochen.