Weihnachtsplätzchen gibt es eigentlich erst an Heiligabend
Angesichts der prall gefüllten Plätzchenteller überall mag man es heutzutage kaum glauben, dass die Adventszeit eigentlich eine Zeit des Fastens ist. Aber traditionell war das so. Vanillekipferl, Spritzgebäck und Co. sind eigentlich vor Weihnachten noch tabu. Im Advent wird gebacken, auf den Tisch kommen die gefüllten Teller aber erst an Heiligabend.
Den eigenen Geburtstag feiert man ja schließlich auch nicht schon vier Wochen im Voraus. Genauso unterscheidet man zwischen dem Advent als der Zeit des Wartens, der Vorbereitung auf die Ankunft Jesu, und dem Geburtsfest selbst. Die innere Vorbereitung ist ja anspruchsvoll: Jesus wirft die rauen Gesetze unseres Alltags über den Haufen und verkündet – wie wirklichkeitsfremd! – Liebe und Gnade als leitende Prinzipien. Darüber muss man doch wirklich mal nachdenken.
Und die äußere Vorbereitung will ebenfalls gemeistert werden. Wie Jesus das Beste ist, was der Welt passieren konnte, so ist auch der traditionsreichen Weihnachtsbäckerei das Köstlichste und Außergewöhnlichste gerade gut genug. Gewürze und Zutaten schmecken mit ihrer orientalischen Note nach „Bethlehem”. Ihre Beschaffung war noch in der Mitte des 20. Jahrhunderts so aufwändig und teuer, dass man sie sich wirklich nur an Weihnachten leisten konnte.
Anders als die Passionszeit, wo der Ausblick auf das Leiden und Sterben Jesu am Karfreitag den Appetit quasi von selbst zügelt, ist der Advent allerdings eine Zeit freudiger Spannung, deren Ende (Weihnachten!) man kaum erwarten kann. Hausärztinnen und Theologen applaudieren in seltener Einigkeit, wenn wir die Produkte unserer Backkunst in dieser Zeit vor gierigen Naschkatzen verstecken und sie allenfalls rationiert probieren lassen, zum Beispiel limitiert auf ein Tellerchen für alle an den Sonntagen.
Ein solches „Anfüttern” auf Weihnachten hin ist wie beim Adventskalender erlaubt, man darf ruhig auf den Geschmack kommen – mehr aber nicht. Nicht nur wegen der Kalorien, sondern weil wir auf Erden immer nur einen Vorgeschmack der Herrlichkeit Gottes erleben können. An den Festtagen kommt dann endlich die ganze Fülle auf den Tisch – wohlgemerkt: die menschliche, noch lange nicht die göttliche.
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