Vom oft prekären Leben älterer Lesben – nicht nur in Paraguay
Chela und Chiquita leben im paraguyanischen Asunción und sind seit Jahrzehnten ein Paar – allerdings sind sie über die Jahre hinweg in ihren Rollen innerhalb der Beziehung erstarrt. Die beiden kommen aus der Oberschicht, gearbeitet haben sie nie. Wohlhabend sind sie allerdings nicht – gerade verkaufen sie das Inventar der alten Familienvilla, Stücke, an denen vor allem für Chela Erinnerungen haften. Die Beziehung der Frauen folgt einem klassischen Muster.
Chiquita ist dominant, gibt sich taff und weiß stets, was zu tun ist. Sie ist es, die das gemeinsame Leben organisiert. Chela dagegen kämpft mit einer Depression: Sie findet morgens kaum aus dem Bett und verbringt die Tage eher meditierend als malend vor einer kleinen Staffelei.
Als die schwer verschuldete Chiquita in Untersuchungshaft muss, kommt Bewegung in die erstarrte Partnerschaft. Obwohl sie keinen Führerschein hat, lässt Chela sich überreden, ihre Freundinnen gegen Geld durch die Stadt zu kutschieren. Allmählich gewinnt sie an Selbstvertrauen. Und damit erwacht auch etwas anderes wieder: erotisches Begehren.
Lesben, schon gar, wenn sie aufs Rentenalter zugehen, sind im Publikumsfilm nach wie vor kaum sichtbar. „Die Erbinnen“, geschrieben und inszeniert von Marcelo Martinessi, annonciert sein „ungewöhnliches“ Sujet allerdings nicht. Eher hintergründig, nah an den Gesichtern und Körpern der großartigen Hauptdarstellerinnen entfaltet der Film die Beziehung zweier Frauen, die nicht nur von altem Mobiliar umgeben, sondern in jeder Hinsicht in ererbten Strukturen gefangen sind - in sexuellen und sozialen Konventionen, in ökonomischen Zwängen.
Und Männer müssen in Martinessis Film gar nicht anwesend sein, um Druck auf das Netzwerk auszuüben, das Bekannte, Verwandte und Freundinnen im Hintergrund der Haupthandlung spinnen. Sozialpsychologisch genau und empathisch im Detail ist „Die Erbinnen“ das geglückte Beispiel eines modernen, realistischen Films.