Verheiratet mit einem Pfarrer: ein Lebensentwurf hat sich gewandelt
Regina Matthei steht am Zaun des Zeilsheimer Pfarrhauses im Frankenthaler Weg. „Ich sage immer, wenn ich unterwegs bin und mehr als hundert Meter in fünf Minuten schaffe, dann mache ich was falsch.“ Sie lacht, und hat in einem einzigen Satz formuliert, warum es anders ist, einen Pfarrer zu heiraten. Oder eine Pfarrerin. Anders jedenfalls als einen Journalisten oder eine Klempnerin. Die Menschen kennen Regina Matthei, die schlanke Frau mit den kurzen braunen Haaren und dem filigran gearbeiteten goldenen Kreuz an der Halskette. Sie grüßen, bleiben stehen, erzählen.
Im Jahr 1990 hat sie den Pfarrer Ulrich Matthei geheiratet – und füllt seitdem eine sehr traditionelle protestantische Lebensrolle aus: die der Pfarrfrau. Auf den ersten Blick tut sie das auf klassische Weise: Regina Matthei leitet seit 40 Jahren den Kindergottesdienst in der Kirchengemeinde Zeilsheim, wo sie auch schon vor ihrer Ehe aktiv war. Sie bekleidete lange eine halbe Stelle als Religionspädagogin. Regina Matthei übernahm den Konfirmandenunterricht, engagierte sich für den Weltgebetstag der Frauen, organisierte Kinderbibeltage. Als Prädikantin hielt sie eigene Gottesdienste.
„Als typische Pfarrfrau habe ich mich nie gesehen“, sagt sie. „Ich habe meinen Mann geheiratet, und nicht den Herrn Pfarrer. Wäre er nicht zufälligerweise Pfarrer, sondern Arzt, wäre ich doch auch nicht die Frau Doktor.“ Religionspädagogik hat sie in Darmstadt studiert. „Ich habe einen ganz normalen Beruf, den ich immer professionell ausgeführt habe.“
Das Leben im protestantischen Pfarrhaus ist ein Mythos. Zahlreiche Prominente aus dem Kultur- und Geistesleben sind als Kinder von Pfarrer und Pfarrfrau groß geworden, vom Philosophen Friedrich Nietzsche über Kanzlerin Angela Merkel bis hin zur RTL-„Supernanny“ Katharina Saalfrank. Doch wie sich die herausgehobene Rolle des Pfarrers oder der Pfarrerin zu einem modernen Dienstleistungsberuf entwickelt hat, ist auch die Rolle ihrer Partnerinnen und Partner nicht mehr die der unbezahlt Mitwirkenden in der Gemeinde. Die Frau des Pfarrers ist nicht mehr Pfarrfrau, sondern Lehrerin, Anwältin oder Physiotherapeutin. Das Pfarrhaus verliert seine gläsernen Wände.
Ein ganz normaler Lebensentwurf also? Fast. Im Jahr ihrer Hochzeit, 1990, hat Regina Matthei noch ein Seminar der Landeskirche besucht, das sie auf das Leben im Pfarrhaus vorbereiten sollte. Mit ihren damals 27 Jahren fand sie das doch ein bisschen skurril. „Ich war die jüngste und habe meine Rolle moderner interpretiert als viele andere dort.“ Bis auf acht Monate Elternzeit sei sie durchgängig erwerbstätig gewesen.
Auf dem Präsentierteller habe sie sich nie gefühlt, auch nicht, als Sohn Jonathan geboren wurde. Heute arbeitet die 55-Jährige als Religionslehrerin an zwei Frankfurter Grundschulen, der Käthe-Kollwitz-Schule, die unweit der Gemeinde gelegen ist, und in der Elsa-Brändström-Schule im Westend. Eine Zeit lang hat die Religionspädagogin zwischen Schuldienst und Gemeinde gependelt, seit langem aber konzentriert Matthei sich auf den Unterricht.
Auch wenn der Matthei’sche Kater Clyde (seine Partnerin Bonnie ist schon verstorben) berühmter sein dürfte als andere Haustiere in der Nachbarschaft und Regina Matthei für den Weg zu Sparkasse oder Supermarkt länger braucht als andere, fühlt sie sich bis heute nicht besonders. „Ich bin einfach Zeilsheimerin.“
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