Leben & Alltag

Heiraten in der Kirche: Lieber echt und originell als inszeniert wie in Hollywood

Wer sich für eine kirchliche Trauung entscheidet, möchte möglichst den „perfekten” Tag gestalten, gewissermaßen als Vorzeichen für die perfekte Beziehung: Anfang gut, alles gut. Tradition, Romantik und die Erwartungen aus dem Kreis der Gäste tun ein Übriges, den Planungsdruck zu erhöhen.

Michael Schütze/Fotolia.com
Michael Schütze/Fotolia.com

Bis die Pfarrerin zum Gespräch kommt, haben amerikanische Liebesfilme und Weddingplanner bei den Brautleuten längst feste Vorstellungen vom „idealen” Ablauf in den Köpfen hinterlassen. Inszenierungen haben freilich große Tücken. Das beginnt bei der Musik: Der „Hochzeitsmarsch” von Mendelssohn Bartholdy kann den Brautleuten und der Gemeinde das Herz aufgehen lassen – aber auch die Trauung zum romantischen Klischee verkommen lassen, bei dem die beiden Hauptpersonen nichts fühlen, sondern nur darauf achten, dass sie ihre Füße im richtigen Takt bewegen.

Allzu gern genommen wird auch der Brauch, dass der Vater die Braut dem vor dem Altar wartenden Bräutigam zuführt. Er stammt noch aus Zeiten, in denen man Frauen nicht als selbständige Wesen betrachtete und Männer über deren Wohl und Wehe entschieden: Aus Vormundschaft und Schutz des Vaters ging es direkt hinein in die Obhut und Abhängigkeit vom Ehemann. Es sind meist die Bräute, die das „schön” finden, aber das damit verbundene Rollenbild beleidigt im Grunde Ehefrau und Ehemann, wenn es nicht der gelebten Partnerschaft entspricht. Schließlich hat in aller Regel nicht der Vater den Bräutigam für die Braut ausgesucht, die ihr Schicksal ergeben annimmt, sondern das Paar hat sich gefunden und gründet sein Zusammensein eher auf Liebe als auf geschäftliche und familiale Strategien.

Sich selbst eine Inszenierung überzustülpen oder sich von außen überstülpen zu lassen, degradiert souverän gestaltende Partner leicht zu Statisten, die am „schönsten Tag” schlecht und recht ihre Rollen spielen und sich dann vor dem Traualtar vorkommen, als seien sie im falschen Film. Geplant werden sollte so, dass die Brautleute dabei nie Schauspielerinnen in einem ihnen fremden Theaterstück werden, sondern immer selbstständig handelnde Subjekte des Geschehens bleiben und sich in ihrer eigenen Haut wohlfühlen. Nur so kann es „ihr” persönlicher und vielleicht tatsächlich wichtigster Tag werden.

Gute Ratschläge, Erfahrungen anderer und selbst erlebte Beispiele sind wichtig, aber sie brauchen das aktive Wollen der Brautleute, und bei geplanten Überraschungen sollte darauf geachtet werden, dass sie tatsächlich auch im Sinne der beiden sind und sie nicht unangenehm berühren, die musikalische Einlage etwa, die nur dem Musikgeschmack der Brautmutter entspricht, oder die Partnerschaftstests nach der Trauung, die lediglich für das Publikum lustig sind.

Schließlich sollten Unzulänglichkeiten im Ablauf am Ende nicht als störend, sondern als belebend wahrgenommen und erinnert werden. Der Amateursänger, der seine Aufregung nicht beherrschen kann, die Blumenmädchen, die vor Aufregung das Streuen vergessen und am Ende des Weges ihre Körbchen einfach auskippen, oder der Fotograf, der sich selbst für die Hauptperson des Geschehens hält und dauernd vor der Gemeinde herumläuft.

Meine eigene lebhafteste und schönste Erinnerung verbindet sich mit einer ökumenischen Trauung, bei der wir auf den katholischen Kollegen warteten, der erst den Termin verpeilt, sich dann zur falschen Kirche begeben und sich obendrein auf dem Weg zur richtigen verfahren hatte; angekommen ist er nie. Wir haben in der Zwischenzeit viel gesungen und fröhlich erzählt, es wurde ein längeres Trommelsolo dargeboten, der Organist hat dies und das gespielt, und schließlich haben wir die Trauung mit einer Stunde Verspätung ohne den Kollegen angefangen. Zufällig befand sich ein afrikanischer Priester in der Traugemeinde, der gerne mitwirken wollte, aber leider kein Deutsch verstand und ein mir kaum verständliches Englisch sprach. Mangels Möglichkeit zur Verständigung hat er das komplexe ökumenische Ritual aus dem Stegreif einfach zu einem katholischen umgewandelt. Hinterher konnten alle darüber lachen, dass wir sowohl nach katholischem wie nach evangelischem Ritus getraut hatten – doppelt genäht hält hoffentlich besser.

Bei aller Planung sollte möglichst auch Raum bleiben, sich der eigenen Intuition und dem Moment überlassen zu können. Um sich dafür frei zu halten und nicht zu Sklaven der Ereignisse zu werden, sollten die Brautleute viele Aufgaben an Menschen delegieren, bei denen sie sie in guten Händen wissen: den Schmuck der Kirche, den Ausschank des Sektes, Organisatorisches. Der Tag der Trauung wird ein Luxus-Tag, wenn alle Verantwortlichen dafür sorgen, dass sich das Brautpaar ganz auf den Anlass, auf sich selbst und auf die Gäste konzentrieren kann.

Apropos Inszenierung. Eine Versuchung ist es natürlich, das Geschehen des Traugottesdienstes in Bild und Film festzuhalten. Erinnerungsstützen sind wohlfeil und hilfreich, aber Übertreibung wirkt störend und baut bei den Brautleuten einen unangemessenen Druck auf. Eine Trauung ist etwas sehr Persönliches, da zittern mal die Hände und es fließen auch mal Tränen. Wenn wirklich alles festgehalten und dann mit der halben Welt geteilt wird, müssen die Brautleute mehr auf das Äußere achten, als dass sie sich auf das Geschehen einlassen können. Ein paar Schnappschüsse sind wunderbar, aber wenn später bei der Vorführung jede emotionale Regung auf Kosten der Brautleute belächelt und kommentiert wird, wird aus berührenden Momenten eine einzige Peinlichkeit.

Es ist die „eigene” Trauung, die geplant wird, und das sollte sie auch bleiben und viel vom Zusammenleben und -wirken des Brautpaars widerspiegeln. Wie die Ehe gelebt und gestaltet – und eben nicht inszeniert – werden will, so auch die Trauung. Die Ehe ist Versprechen und Wagnis zugleich, und auch die perfekteste und gediegenste Feier kann den Segen Gottes nicht ersetzen.


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Wilfried Steller 51 Artikel

Wilfried Steller ist Theologischer Redakteur von "Evangelisches Frankfurt und Offenbach" und Pfarrer in Frankfurt-Fechenheim.