Leben & Alltag

Sorgende Gemeinden: Damit es sich auch im Alter gut leben lässt

Immer mehr Menschen werden immer älter, viele können sich nicht mehr auf eine sorgende Familie oder ein intaktes Lebensumfeld im Alter verlassen. Inwiefern Kirchengemeinden hier helfen können, darüber wurde bei einer Fachtagung im Dominikanerkloster diskutiert.

Bei der Tagung gab es Informationen für die "sorgende" Arbeit in Stadt und Land.
Bei der Tagung gab es Informationen für die "sorgende" Arbeit in Stadt und Land.

Vor allem ländliche Gemeinden bluten aus, Lebensmittelläden oder Buslinien schließen. Aber auch in den Städten machen die kleinen Läden in der Nachbarschaft zu, wechseln Nachbarn und Ansprechpartnerinnen häufig, besteht die Gefahr von Vereinsamung und Isolation älterer Menschen. Dies zeigen auch die Ergebnisse des Siebtens Altenbericht der Bundesregierung. Als Reaktion darauf hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) voriges Jahr das Projekt „Sorgende Gemeinde werden“ gestartet.

Ziel der „sorgenden Gemeinden“ ist die es, Nachbarschaften aufzuwerten, die Seniorenpolitik stärker lokal zu verankern und die Bedeutung der Zivilgesellschaft für die Gestaltung des sozialen Miteinanders zu betonen. Dazu sollen vielfältige lokale, generationenübergreifende Aktivitäten und Projekte beitragen, in Zusammenarbeit nicht nur mit den Kommunen, sondern mit allen infrage kommenden Verantwortlichen und Initiativen. Das kann den Erhalt von Einkaufsmöglichkeiten, Kulturangeboten oder Buslinien beinhalten, Besuchs- und Fahrgemeinschaftsdienste oder Freizeitangebote – möglichst immer in gemischten Altersgruppen.

Unter dem Motto „Wie wir für ,sorgende Gemeinden’ sorgen“, diskutierten auf einer Fachtagung im Frankfurter Dominikanerkloster rund 100 Aktive und Interessierte Projekte, Probleme und Perspektiven der „sorgenden Gemeinden“. Bezugnehmend auf die demografische Entwicklung und die Zahlen des Siebten Altenberichts mahnte der Vorsitzende der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Altenarbeit, Jens-Peter Kruse, ein „neues Verständnis der Daseinsvorsorge“ an. „Ein ,Weiter-so' wird nicht möglich sein“, so Kruse, „dafür reichen die sozialstaatlichen Versorgungsleistungen einfach nicht aus.“

EAfA-Vorsitzender Jens-Peter Kruse sprch sich für ein "neues Verstöndnis der Daseinsvorsorge" aus. Foto: Rolf Oeser
EAfA-Vorsitzender Jens-Peter Kruse sprch sich für ein "neues Verstöndnis der Daseinsvorsorge" aus. Foto: Rolf Oeser

Infrastrukturelle und gesundheitliche Versorgung müsse ebenso Teil eines „guten Lebens“ im Alter sein wie generationenübergreifende Beziehungs- und Teilhabemöglichkeiten. Den Kirchengemeinden komme dabei eine zentrale Bedeutung zu, weil die Kirche schon in allen Sozialräumen präsent sei, grundsätzlich Zugang zu allen Generationen sowie Räume und Strukturen für viele Bereiche des sozialen Miteinanders habe – haupt- wie ehrenamtlich.

Kruse forderte die Gemeinden dazu auf, auch diejenigen Menschen anzusprechen und mitzunehmen, die „religiös unmusikalisch“ seien: „Wenn wir unsere Angebote, unsere Räume auch anderen zugänglich machen, hilft das beiden Seiten“, sagte er und zitierte den EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm: „Vor Ort gewinnt die Kirche ihr Gesicht.“ Gemeinsam mit der Diakonie habe die Kirche die Aufgabe, aber auch gute Chancen „Katalysator und Raum“ für die „sorgende Gemeinde“ zu werden.

Auf zwei sogenannten „Schwatzmärkten“, bei denen Aktive und Interessierte sich über bereits bestehende Projekte austauschen und einander zuhören konnten, wurden im Laufe des Fachtags zehn bereits bestehende Projekte als Beispiel für lebendige, „sorgende Gemeinden“ vorgestellt. Mit dabei war zum Beispiel Ingo Schenk vom Landesjugendpfarramt Rheinland-Pfalz, der mit Jugendlichen die Identität und damit auch die Bedürfnisse einzelner Dörfer recherchiert, um dann entsprechende Initiativen starten zu können.

Oder die Initiative „55 plus/minus“, die in den Orten des Rhein-Lahn-Kreises schon seit 15 Jahren auf freiwilliger, ehrenamtlicher Basis Einkaufsbegleiter, Spielenachmittage, Singletreffs, medizinische Informationsveranstaltungen, aber auch Yoga-, Deutsch- oder Kochkurse vermittelt. „Wir wollen keine typischen Oberlehrer als Referenten“, so Initiator Dieter Zorbach, der selber früher Lehrer war, „sondern ein partnerschaftliches Geben und Nehmen.“ Gemeinsam aktiv- und gemeinsam alt werden sei das Motto, von und für alle Altersgruppen.

Veranstaltet wurde die Fachtagung von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, der Evangelischen Kirche der Pfalz, der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Altenarbeit (EAfA) und der Diakonie Hessen.

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Autorin

Stefanie von Stechow ist Mutter von vier Kindern und freie Journalistin. Sie schreibt über Themen aus Familie, Bildung und Gesellschaft.

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