So schön und kompliziert ist es, ein behindertes Kind zu haben
Jedes Leben ist gleich viel wert – als Lippenbekenntnis sagen das wohl die meisten. In Wirklichkeit sind aber selektive Abtreibungen längst gang und gäbe: Viele Föten werden abgetrieben, obwohl die schwangere Frau eigentlich ein Kind will, nur dass das erwartete Kind womöglich nicht perfekt ist. Schon leichte Behinderungen wie Trisomie 21 reichen aus.
Doch nicht alles lässt sich in Voruntersuchungen feststellen. Als die Tochter von Mareice Kaiser aufgrund eines Chromosomenfehlers mit mehreren, teils schweren Behinderungen geboren wird, ist das im ersten Moment ein Schock für die Eltern. Im zweiten Moment ist es eine Herausforderung, die sie annehmen. Und es zeigt sich: Das Leben mit Greta ist schön, sie ist ein entzückendes, eigenwilliges Kind, nur eben besonders.
Soweit so gut, wenn nicht gleichzeitig die Gesellschaft es der jungen Familie an allen Ecken und Enden kompliziert machen würde. Von Ärzten, die falsche Diagnosen stellen, bis zu Krankenkassen, die jeden Antrag standardmäßig erst mal ablehnen, von gedankenlosen Bemerkungen bis hin zu angeblich integrativen Kindertagesstätten, die „kompliziertere“ Fälle dann aber lieber ablehnen. Und dazu die ständige Erwartung, dass vor allem die Mutter eines behinderten Kindes rund um die Uhr im Einsatz sein soll. Eigene, gar berufliche Ambitionen? Das geht halt nicht, Pech gehabt.
In spannenden und berührenden Episoden schildert Mareice Kaiser das Leben mit ihrer behinderten Tochter. Ein lesenswertes Buch, gerade auch dann, wenn man selbst keine persönlichen Berührungspunkte mit dem Thema hat.
Lesenswert ist übrigens nicht nur das Buch, sondern auch der Blog der Autorin.
Mareice Kaiser: Alles inklusive. Fischer, Frankfurt 2016, 283 Seiten, 14,99 Euro.
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