Leseförderung für geflüchtete Kinder: Roboter Ada hilft dabei
Ada sitzt still in einem großen grünen Ohrensessel in der Zentralen Kinder- und Jugendbibliothek. Die Beine aus grauem Kunststoff aufgestellt, nur die Augen leuchten kurz auf, wenn jemand den Roboter anspricht. Wenige Minuten später ist sie von Kindern umringt. Aus der Unterkunft für Geflüchtete „Sportfeld Edwards“ in Berkersheim sind sie angereist, um an diesem Nachmittag Ada aus einem Bilderbuch vorzulesen und mit ihr darüber zu sprechen. „Darf ich sie mal anfassen“, fragt ein achtjähriges Mädchen und selbst hinter der Maske ist ihr strahlendes Gesicht zu erahnen.
„Roboter hört mit! LautLesen 4.0“ heißt die Aktion der Stadtbücherei Frankfurt, die auf diese Weise Kinder und Jugendliche ans Lesen heranführen will, unterstützt von einem niedlichen humanoiden Roboter. Wie gut dies gelingt, zeigt die Auszeichnung mit dem Deutschen Lesepreis 2021 in der Kategorie „Herausragende Leseförderung mit Digitalen Medien“, den die Bibliothek im November gewann.
Während es draußen schon dunkel wird, lesen die Kinder aus dem Bilderbuch „Vor meiner Tür auf einer Matte“ von Nadia Budde vor. Vor der Tür auf der Matte trifft eine riesengroße braune Ratte auf einen noch namenlosen Mann, den die Kinder rasch auf den Namen „Tom“ taufen. Tom möchte seine Hausschuhe anziehen, aber die Ratte ist schneller und schon hineingeschlüpft. Und das ist erst der Anfang, alles, was Tom tut, macht die Ratte auch. Lässt er sich eine Wanne mit Wasser volllaufen, liegt die Ratte sofort drin und schlürft das Badewasser, während Tom noch am Rand steht.
Die Kinder sind begeistert. „Wer will als nächstes vorlesen“ fragt Bibliothekspädagogin Tanja Schmidt und vier Hände gehen steil in die Höhe. Und nicht nur das. Die drei Mädchen und der Junge, die heute mitmachen, beobachten genau, interpretieren die Bilder, verfolgen die Geschichte. Einem Mädchen fällt sofort auf, dass Tom und die Ratte die gleichen Haare haben. Tanja Schmidt ist erstaunt: „Was ihr alles entdeckt, das ist mir noch gar nicht aufgefallen.“ Das Wort „quetschen“ steht im Bilderbuch. „Wisst ihr, was das ist?“, fragt Tanja Schmidt in die Runde. „Wenn es so eng ist“, sagt ein Junge. Ob Ada, der humanoide Roboter, das Verb wohl kennt? „Nein“, sagt sie und bedankt sich freundlich: „Jetzt habe ich wieder ein neues Wort gelernt.“
Es ist diese Mischung aus Vorlesen einer spannenden Geschichte, lebendigem Dialog mit Tanja Schmidt und immer wieder Kontakt mit dem Roboter „Ada“, der die acht- bis zehnjährigen Kinder aus der Unterkunft für Geflüchtete des Diakonischen Werkes für Frankfurt und Offenbach begeistert. Denn jetzt, nachdem das Bilderbuch ganz vorgelesen ist, will Ada alles Mögliche wissen. „Was sind das für Latschen, die die Ratte anzieht?“ „Hausschuhe“, antwortet ein Mädchen und schon ertönt Jubel, denn die Antwort stimmt. Warum Tom eigentlich sauer auf die Ratte ist, fragt Ada. „Weil sie dauernd da ist“, rufen alle vier Kinder und Ada bedankt sich mit einem „Superduper!“
Ada wiegt knapp sechs Kilo und ist ungefähr 52 Zentimeter groß, erfahren die Kinder. Alles, was sie kann, wurde ihr einprogrammiert, die Technische Hochschule Wildau - RoboticLab / Studiengang Telematik kooperierte mit der Bibliothek. Aber jetzt zeigt Ada erst mal, was alles in ihr steckt, sie stützt sich auf, verlässt den Ohrensessel und lädt die Kinder zu Tai Chi-Übungen ein. Anschließend dürfen sie Tierstimmen erraten, die Ada nachmachen kann. Die achtjährige C. kniet vor Ada, streichelt ein bisschen über den hellgrauen Kunststoff und auch die anderen kommen dazu, bilden einen kleinen Kreis um den Roboter. 25 Motoren steuern ihn, erfahren sie staunend.
Anne Wolter, Ehrenamtskoordinatorin der Unterkunft für Geflüchtete „Sportfeld Edwards“ des Diakonischen Werkes für Frankfurt und Offenbach, hat die Kinder begleitet. „Wir freuen uns sehr über die Zusammenarbeit“, sagt sie. Auch an den Coding-Workshops, die die Kinder- und Jugendbibliothek für neun bis 13-jährige Mädchen und Jungen anbietet, wird eine Gruppe aus der Unterkunft teilnehmen. 2022 wird das Angebot weitergehen. „Lese- und Sprachförderung ist für die Kinder sehr wichtig“, sagt Anne Wolter, und: „Wir suchen immer Ehrenamtliche, die gemeinsam mit den Kindern in der Flüchtlingsunterkunft lesen üben.“