Gymnastik auf dem Stuhl: Warum Bewegung auch im sehr hohen Alter wichtig ist
Mit Bewegung geht alles besser, sagt eine schöne Floskel. Aber stimmt das auch so uneingeschränkt? Sicher ist jedenfalls, dass auch sehr alte Menschen, die nicht mehr gut zu Fuß sind und viel Zeit in ihrer Wohnung verbringen, ihren Alltag mit einfachen Übungen verbessern können.
An dieser sportwissenschaftlichen Erkenntnis setzt das Projekt AGIL („Aktiv geht’s immer leichter“) an, das jetzt auch die Diakonie im Landkreis Offenbach umsetzt. 22 Ehrenamtliche haben sich voriges Wochenende getroffen, um mehr über den Ansatz aus Finnland zu lernen. Eine von ihnen ist Lauretta Stroh. „Es reizt mich sehr, die Methode auszuprobieren. Bei AGIL wird mit kleinen Kärtchen gearbeitet, die auf verschiedene Weise eingesetzt werden können – für Bewegungs-, aber auch für Gedächtnisübungen“, erklärt die 52 Jahre alte Gemeindesekretärin.
Beim Diakonischen Werk in der Winkelsmühle Dreieich können Interessierte eine kostenlose Fortbildung zur gezielten individuellen Bewegungsförderung von hochbetagten Menschen machen. Das Angebot will Ehrenamtliche aus Gemeinden, Übungsleiterinnen und Akteure aus Sport und Bewegung, Betreuungskräfte oder Angehörige ansprechen. So ausgebildet können sie auch als Ehrenamtliche Seniorinnen und Senioren, die trotz Pflege- oder Unterstützungsbedarf noch in den eigenen vier Wänden leben, zu Hause aufsuchen und ihnen helfen.
Der Bedarf an solchen Initiativen ist groß. In Deutschland sind derzeit sechs Prozent der Bevölkerung 80 Jahre oder älter, das sind fast fünf Millionen Menschen. Bis zum Jahr 2050 wird sich ihre Zahl noch einmal mehr als verdoppeln.
„Viele sehr alte Menschen verbringen einen Großteil des Tages alleine“, sagt Martina Geßner von der Diakonie, die den Workshop mit betreut. Oft wohnen Kinder und andere Familienmitglieder weit weg, und der Bekanntenkreis ist nicht immer groß. Professionelle Pflegekräfte werden erst spät beauftragt, meistens ist dann der Zeitpunkt bereits verstrichen, wo sich die Beweglichkeit noch mit einfachen Übungen steigern lässt. Das können so einfache Sachen sein wie den Arm zu heben und dabei zu drehen, um etwas aus einem Schrank holen zu können. Studien haben gezeigt, dass Pflegebedürftigkeit manchmal schon mit kleinen Maßnahmen verhindert oder zumindest hinausgezögert werden kann. Selbst bei Menschen, die in ihrem Leben wenig Sport gemacht und nur wenig bewegt haben, können schon kleine Übungen eine sehr erhebliche Verbesserung der Lebensqualität mit sich bringen.
„Für uns ist AGIL eine wichtige Ergänzung zu anderen Angeboten für ältere Menschen“, sagt Geßner. „Dabei geht es natürlich nicht nur um Bewegungsübungen, sondern auch darum, im Gespräch zu sein.“ Die Referentin der Bildungsakademie des Landessportbundes, Agnes Boos, gibt zudem hilfreiche Tipps mit für den Umgang mit älteren Menschen und die positive Gestaltung der Übungen.
AGIL ist ein gemeinsames Projekt der Bildungsakademie des Landessportbundes Hessen e.V. und der Diakonie, es wird vom Hessischen Sozialministerium und den Pflegekassen in Hessen finanziert. Neben dem Erlernen von Maßnahmen zur Kurzaktivierung für Körper und Geist liegt ein weiterer Schwerpunkt in der Region Offenbach auf dem Thema der Interkulturalität und Kultursensibilität. Dem zunehmenden Anteil an älteren Migrantinnen und Migranten wird so Rechnung getragen.
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