Georg Magirius sammelte Geschichten vom Abschied
Abschied und Loslassen geschieht einfach in ihren Geschichten. Bertolt Brecht erzählt etwa von einer klugen alten Frau, die sich nach dem Tod ihres Mannes anders verhält, als die Kinder es gewohnt sind: Egoistischer, unkonventioneller und viel lebenslustiger. Elke Heidenreich schildert einen Filmemacher, der die Tagebuchsätze ihrer schwärmerischen Teenagerzeit zwar in seinem Film verwurstet, aber gar kein Herz dafür hat.
Reiselust und wieder Ankommen nach dem Urlaub sind ebenso Thema wie die geliebte Mütze eines Opas oder der Abschied für immer. Je nach Erzähltemperament sind die Geschichten zärtlich, bissig, wehmütig oder erschütternd und nicht selten auch sehr komisch.
So wie Robert Gernhardts fingierter Dialog zwischen dem mittelalterlichen Dichter Walther von der Vogelweide und einem modernen Seniorenberater:
Walther: „Oweh, wohin sind entschwunden alle meine Jahre? Habe ich mein Leben geträumt oder ist es wirklich wahr? Was ich immer für wirklich gehalten haben, ist es das?“ Seniorenberater: „Damit, Herr Walther, sprechen sie eine Empfindung an, die von vielen Senioren geteilt wird, die des Realitätsverlustes. Als ob nur der Arbeitsprozess Teilhabe am wirklichen Leben garantierte ...“
Literarische Geschichten sind keine Ratgeberliteratur. Trotzdem können sie helfen. Weil man sich in ihnen wiederfinden kann. Weil sie trösten, erstaunen, amüsieren oder sogar Mut zum Neuanfang machen. Einfach, weil sie uns mitteilen: Es gibt viele Wege, Abschied zu nehmen. Keiner ist falsch, keiner ist richtig. Georg Magirius hat eine kluge, vielgestaltige Geschichten-Auswahl getroffen.
Georg Magirius (Hrsg.) Abschied. Geschichten vom Loslassen und Neuanfangen. Edition chrismon. 116 Seiten, 15 Euro.