„Free Hugs“ war gestern – ein simples „Hallo“ ist heute!
Logisch – nicht alle Antlitze konnten in diese Schublade einsortiert werden. Auch in Frankfurt gibt es Menschen, die fröhlich und glücklich aussehen. Aber die Griesgrame waren doch so viele, dass es mir auffiel und mich nachdenklich machte.
Sicher ist es auch der extreme Kontrast zum Urlaub an der Ostsee, den ich gerade hinter mir hatte. Im Urlaub, am Strand, trifft man meist auf Menschen, die gerade die schönste Zeit des Jahres verbringen: Sommer, Sonne, gemeinsame Zeit mit den Lieben, kein Zeitdruck, Entspannung, Meer, gutes Essen.
Klar, nicht alle können sich Urlaub leisten und ihrem Alltag für ein paar Wochen entfliehen. Aber muss der Alltag immer mit schlechter Laune einhergehen? Was ist es wirklich, das den Menschen so schwer auf der Seele liegt, dass man es ihnen ansehen kann? Sorgen, Nöte, Ängste, materieller oder immaterieller Art?
Das könnte es sein. Es gibt viele gute Gründe, schlecht gelaunt zu sein. Vielleicht das Gefühl, nicht Teil von etwas zu sein. Ein Empfinden von Ausgeschlossenheit. Menschen können sich vergessen und abgehängt fühlen – von der Politik, von der Familie, von der Nachbarschaft. Krankheit ist eine schwere Last. Alles Theorie. Genau feststellen lässt es sich natürlich nicht.
Bei all meinem Nachdenken fiel mir die „Free Hug“-Bewegung ein, die vor einiger Zeit aufploppte: Dabei stellten sich Menschen in Fußgängerzonen, hingen sich Schilder mit dem Hinweis „Free Hugs“ (also „kostenlose Umarmungen“) um den Hals und knuddelten wildfremde Menschen für das gute Gefühl.
Im Prinzip eine super Idee, um traurigen, missmutigen oder belasteten Menschen ein Gefühlgeschenk zu machen. Allerdings kann ich mir nicht wirklich vorstellen, einfach fremde Menschen zu umarmen. Zu viel Körperkontakt, zu übergriffig.
Deshalb startete ich mein eigenes Projekt: „Hallo“. Immer, wenn ich jemandem auf der Straße begegne, grüße ich ihn oder sie oder es. Die Reaktionen sind schier unfassbar. Die Menschen sind irritiert. Schauen erst ungläubig. Lächeln dann. Grüßen zurück.
Eine etwas verwahrlost wirkende Frau in den 50ern zum Beispiel, vermutlich ohne Obdach, sie trug jedenfalls völlig zerfetzte Schuhe. Traurig wirkend schlurfte sie dahin. Ich blickte sie direkt an, lächelte und grüßte. Sie hat sich gefreut, wirklich. Ich glaube, sie hätte mich gerne umarmt. Ich blieb aber nicht stehen, ging weiter. Das mache ich immer so. Direkt in die Augen blicken, lächeln, grüßen, weitergehen. Es ist schön.
Probieren Sie es mal aus. Was kostet schon ein simples „Hallo“ oder „Guten Tag“? Höchstens vielleicht etwas Überwindung. Einen kleinen inneren Ruck, den man sich geben muss. Aber das ist nichts gegen das Ergebnis, das lockt: Respekt, Aufmerksamkeit, Achtung. Eine Wahnsinns-Bilanz.
Ich habe vor, mein Projekt jetzt allmählich in Gewohnheit zu überführen. Ich freue mich, dass sich andere freuen. Vielleicht finden sich Nachahmer*innen. Jedes „Hallo“ ist ein Gewinn.
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