Flötentöne unterm Weihnachtsbaum
Musik ist ein soziales Phänomen. Denn sie transportiert unmittelbar Stimmungen und schafft ein Gemeinschaftsgefühl – laut der Zeitschrift „Das Gehirn“ ein möglicher Grund dafür, dass die Evolution die zwar schöne, aber fürs Überleben scheinbar überflüssige Fähigkeit des Musizierens hervorgebracht hat.
Weihnachten ist auch ein soziales Phänomen, vor allem für Familien. Unterm kerzenbeleuchteten Baum wollen wir (vor allem uns selbst) beweisen, dass wir es so richtig drauf haben. Mit den gut geförderten Kindern, die im richtigen Moment abliefern. Mit der bildungsbürgerlichen Erziehung. Mit dem ungebrochenen Bild vom trauten Heim.
Es gibt diese Familien, denen das leichtfüßig gelingt, weil sowieso alle Mitglieder, ob jung oder alt, Instrumente spielen. Wir sind keine solche Familie. Mein Mann denkt mit sehr gemischten Gefühlen an die Kassetten mit Klaviermusik zurück, die er und sein Bruder im Advent für die Oma aufnehmen mussten. Ich habe nie irgendein Instrument so weit beherrscht, dass ein locker-flockiges „Stille Nacht“ drin gewesen wäre. Aber die Kinder sollen es nicht nur mal besser haben als wir, sondern es vor allem besser machen. Als meine Tochter mit sieben zum Blockflötenunterricht ging, war klar, was am nächsten Heiligabend auf dem Programm stand („Du darfst dir das Weihnachtslied auch selbst aussuchen!“). Aber sie wollte nicht. Nicht für uns, nicht für Oma und Opa, vielleicht ahnte sie die Show, die das sein sollte.
Also sangen wir ganz unspektakulär „Ihr Kinderlein kommet“, dann wurden Lego und Playmobilhaus ausgepackt und stundenlang bespielt. Wir sind vielleicht keine Familie für Hausmusik unterm Weihnachtsbaum. Aber für Lego unterm Weihnachtsbaum sind wir immer zu haben. Ein gemeinsam aufgebautes Harry-Potter-Schloss fördert den sozialen Zusammenhalt übrigens auch ganz enorm.
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