Leben & Alltag

Fastenzeit – alle mal raus aus der Komfortzone!

Fasten ist aus dem modernen Lifestyle nicht mehr wegzudenken. Dass der zeitweilige Verzicht ursprünglich eine religiöse Praxis ist, spielt dabei kaum noch eine Rolle.

Fast zwei Drittel aller Deutschen haben schon mal gefastet. Allerdings nicht aus religiösen Gründen. | Foto: Kate Cat, Adobe Stock
Fast zwei Drittel aller Deutschen haben schon mal gefastet. Allerdings nicht aus religiösen Gründen. | Foto: Kate Cat, Adobe Stock

In Zeiten der Selbstoptimierung demonstriert Fasten Geistesstärke und die Haltung, dem eigenen Leben jederzeit einen neuen Akzent verpassen zu können, wenn man nur will. Intervallfasten, Heilfasten nach Buchinger, Basenfasten, Modifiziertes Fasten – was klingt wie aus einer medizinischen Fachzeitschrift ist für viele mehrmals jährlich ernsthafte Realität. Und weiter zunehmender Überfluss kreiert immer neue Formen des Verzichts: Handyfasten, Autofasten, Klimafasten, Netflixfasten.

Irgend eine Art des Fastens gehört inzwischen für viele Menschen zum Lifestyle. Und es geht dabei um viel, aber bestimmt nicht um Gott. Obwohl die Idee des Fastens eigentlich aus einer religiösen Tradition kommt. Am Aschermittwoch beginnt die christliche Fastenzeit, die bis Ostern dauert. Im Islam hat der Fastenmonat Ramadan eine wichtige Bedeutung. Religiöses Fasten soll dabei helfen, sich auf Wesentliches zu konzentrieren und offen zu sein für eine intensive spirituelle Zeit der Gottverbundenheit.

Während die Zahl religiös gebundener Menschen abnimmt, steigt die Zahl derer an, die regelmäßig fasten. 64 Prozent der Deutschen haben laut einer Studie der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) und dem Meinungsforschungsinstitut Forsa aus dem Jahr 2022 schon einmal im Leben gefastet. Mehr als ein Fünftel der Befragten findet es sinnvoll, aus gesundheitlichen Gründen auf Bestimmtes zu verzichten. „Detox“ ist das Motto, also das „Entgiften“, die Befreiung von schädlichen Einflüssen. Die meisten Detox-Fans sind zwischen 30 und 44 Jahre alt.

Alkohol steht dabei besonders im Fokus. 73 Prozent der Befragten können sich vorstellen, Bier, Wein und Hochprozentiges von Aschermittwoch bis Karsamstag in der Hausbar stehen zu lassen. Süßes und Fleisch folgen. Knapp die Hälfte würde auch das Rauchen für vierzig Tage einstellen. Bei Digitalem und dem Auto wird es schon enger. Nur rund ein Viertel der Befragen zieht in Erwägung, statt dem Auto auch mal die U-Bahn zu benutzen oder statt auf dem Handy zu daddeln in einem Buch zu schmökern.

Die Kirchen sind bemüht, beim Fasten-Trend mitzuhalten. „Sieben Wochen ohne“ heißt die jährliche Fastenaktion der Evangelischen Kirche, die eher mit philosophischen Themen aufwartet (in diesem Jahr: 'Sieben Wochen ohne Verzagtheit'). Das ökumenische Projekt „Klimafasten“ will schon seit zehn Jahren mit dem Slogan „So viel du brauchst“ die Tradition des Verzichts mit aktuellen Problemlagen verbinden und auf die verschwenderische Lebensweise sowie die damit verbundene Ungerechtigkeit und Ungleichheit aufmerksam machen.

Doch Vorsicht: Fasten als Aktionismus zu verstehen, wäre falsch. Es geht vielmehr darum, gewohntes Handeln abzulegen und die eigene Komfortzone zu verlassen. Die eigentliche Message der Fastenzeit heißt: Egal wie groß das Dilemma auch sein mag, es ist immer ein Neuanfang möglich. Deswegen gehört zur christlichen Fastenzeit unabdingbar das Finale an Ostern dazu.


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Angela Wolf 123 Artikel

Angela Wolf ist Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. Sie wurde 1978 in Aschaffenburg geboren. Heute lebt sie in Frankfurt am Main, wo sie Soziologie, Politikwissenschaften und Psychoanalyse studierte.

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