Erst Betroffener, dann Helfender
Seit 40 Jahren ist Michael Schuckert trockener Alkoholiker. Im Café Alte Backstube, einem alkoholfreien Begegnungszentrum der Evangelischen Suchtberatung Frankfurt am Main in der Frankfurter Innenstadt, unterstützt er andere Betroffene, ihre Sucht zu überwinden. Ein neues Angebot soll Alkoholabhängigen dabei helfen, abstinent zu bleiben. Mit dem zusätzlichen Angebot reagiert die Evangelische Suchtberatung auf die steigende Anzahl von Beratungsanfragen.
„Mein Leben bestand nur noch aus Arbeiten und Alkohol. Mit den meisten Familienmitgliedern und Freunden hatte ich gebrochen“, erinnert sich Michael Schuckert. Zunehmende körperliche und psychische Probleme bewegen den heute 67-Jährigen schließlich dazu, seinen Hausarzt aufzusuchen. Es folgen zwei Entgiftungen, doch Michael Schuckert wird wieder rückfällig.
„Nach einer Langzeittherapie leben nach vier Jahren etwa 50 Prozent der Patient:innen abstinent, Rückfälle hatten etwa 75 Prozent“, weiß Martin Meding, Leiter der Evangelischen Suchtberatung. „Umso wichtiger ist es, dass die Betroffenen auf ein breites und verlässliches Netzwerk zurückgreifen können. Therapeut:innen, Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen helfen, mit Rückfällen umzugehen und schnellst möglich in die Abstinenz zurückzufinden“, erläutert Meding.
Dieses Netzwerk hilft schließlich auch Michael Schuckert, seine Krankheit zu überwinden. Bei einem weiteren Entzug in einer Klink kommt er in Kontakt mit der Evangelischen Suchtberatung und lernt – unterstützt von Fachleuten und Selbsthilfegruppen – sein Leben neu zu sortieren. Über die Beratungsstelle lässt er sich später zum ehrenamtlichen Suchtkrankenhelfer ausbilden und beginnt in der Alten Backstube mit Alkoholsüchtigen zu arbeiten. Der ständige Kontakt zur Beratungsstelle und zu Betroffenen hilft ihm durch Krisen und zwingt ihn immer wieder zur Auseinandersetzung mit seiner eigenen Erkrankung. „Ich möchte jeden ermutigen, eine Beratungsstelle aufzusuchen. Alleine hätte ich es nicht geschafft“, so Schuckert.
Neues Präventionsangebot „Treffpunkt Alte Backstube“
Gemeinsam mit einer Mitarbeiterin der Beratungsstelle leitet Michael Schuckert seit November einen neuen Treffpunkt der Alten Backstube, der Betroffene stärken soll, dauerhaft abstinent zu leben. Immer montag-, mittwoch- und freitagvormittags starten abstinent lebende Menschen in der Alten Backstube gemeinsam in den Tag. Verschiedene Bewegungs-, Gesprächs- und Kreativangebote geben Möglichkeit zum Austausch und unterstützen, eine feste Tagesstruktur zu entwickeln. Das Angebot ist offen und kostenlos, ein Einstieg jederzeit möglich.
Hohe Nachfrage: Evangelische Suchtberatung konzentriert Angebot auf Alkohol- und Glücksspielsuchtberatung
Ein Angebot, das in Frankfurt auf Nachfrage stößt. Im Jahr 2020 verzeichnete die Evangelische Suchtberatung einen Anstieg der Ratsuchenden um 25 Prozent. Mit etwa 48 Prozent stellt Alkohol einen der häufigsten Beratungsgründe dar, dicht gefolgt von Glücksspielsucht mit etwa 43 Prozent. Aufgrund der hohen Nachfrage konzentriert sich die Beratungsstelle auf ihr Schwerpunktangebot im Bereich Alkohol- und Glücksspielsucht. Die Evangelische Suchtberatung schließt sich zudem der Hessischen Landesstelle für Suchtfragen e.V. an und fordert einen weiteren Ausbau von Beratungs- und Präventionsangeboten. „Unsere Arbeit trägt dazu bei, die gesellschaftlichen Folgekosten von Suchterkrankungen zu verringern. Um unseren Klient:innen weiterhin eine verlässliche und zeitnahe Hilfe anzubieten, braucht es eine sichere und kostendeckende Finanzierung. Gerade in der Corona-Zeit leistet die Suchtberatung mit ihren niederschwelligen Hilfsangeboten einen wichtigen Beitrag, damit Menschen in Krisensituationen schnell Hilfe erhalten und sich Suchtverhalten nicht manifestiert“, so Martin Meding.
Weitere Informationen über das Angebot der Evangelischen Suchtberatung gibt es unter www.evangelische-beratung.com/sucht/.