Erreichbar auf allen Kanälen für Ukrainer:innen
Ihr Telefon leuchtet auf, vibriert und klingelt. Mal ist es eine Klinik, mal ein Rechtsbeistand, Mitarbeitende eines Gemeindebüros oder Beratungszentrums, aber meist sind es die Geflüchteten aus der Ukraine selbst, die Tanja Sacher per Mail, Anruf, Telegram, WhatsApp oder Viber um Unterstützung und Rat bitten. An einem Sonntagabend rief zum Beispiel die ukrainische Botschaft aus Washington an und bat um Unterstützung eines Kindes, das bei einem Splitterbombenangriff schwer verletzt wurde, und in die USA gebracht werden sollte, um behandelt zu werden. „Das Kind und seine Begleiterin hingen nun aber am Frankfurter Flughafen fest“, erzählt die evangelische Pfarrerin. „Die Anliegen der Menschen und die Problematik der Situation sind immer sehr unterschiedlich. Ich kann nie wissen, was auf mich zukommt“, sagt Sacher. Als erstes versucht sie, zu sortieren, sich selbst und ihre Gesprächspartner:innen zu orientieren, um herausfinden zu können, was der Auftrag an sie sein kann. „Was brauchst Du? Was brauchen Sie? Das frage ich ganz oft“, sagt Sacher. „Einen Apfelsaft“ sagte das versehrte ukrainische Kind, „Halt und Hilfe bei der Bundespolizei“, sagte seine Begleiterin.
Seit September 2023 ist Tanja Sacher, Pfarrerin im Kirchlichen Flüchtlingsdienst am Frankfurter Flughafen, von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau mit der Seelsorge für Menschen aus der Ukraine mit einem Stellenumfang von 50 Prozent beauftragt. Die Stelle ist befristet bis Dezember. „Danach kann sie nicht weiter finanziert werden“, sagt Sacher. Und: „Ich bin dankbar, dass die EKHN diese Stelle geschaffen hat. Aber in der verbleibenden Zeit wird der Krieg wohl leider nicht beendet und die Menschen auch nicht wieder in ihre Heimat zurückkehren können. Der Bedarf an Seelsorge, Beratung und Unterstützung wird eher wachsen“.
Zwischen Heimat und neuem Zuhause
Seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine am 24. Februar 2022 engagiert sich die evangelische Pfarrerin für Geflüchtete aus der Ukraine. Zunächst wurde sie von ihrem damaligen Kirchenvorstand der St. Georgsgemeinde in Steinbach an den Frankfurter Flughafen entsandt, um die dort Ankommenden zu unterstützen. „Sehr viele dachten damals, dass sie nur ein paar Wochen hierbleiben und dann wieder nach Hause fahren können.“ Nach zwei Jahren Krieg, ohne ein Ende in Sicht, wird ihnen aber immer klarer, dass sie sich in Deutschland auf mehr als einen vorübergehenden Aufenthalt einstellen müssen. „Das ist alles andere als leicht für die Menschen, denn sie sind und bleiben ja weiter intensiv mit ihren Liebsten in der Ukraine verbunden. Das Herz ist und bleibt in der Ukraine und trotzdem schaffen sie es, sich hier wohlzufühlen, die Sprache zu lernen, sich zu integrieren und ein neues Leben aufzubauen“, sagt die Pfarrerin. Die Kraft der Menschen, vor allem der ukrainischen Frauen, bewundert sie zutiefst.
Kirche mit Auftrag
Für Seelsorgerin Tanja Sacher, die Russisch spricht, ist es ein Anliegen, Ukrainer:innen zur Seite zu stehen, ob am Flughafen oder am Krankenbett, ob durch Beratung oder Vermittlung an andere Gesprächspartner:innen oder bei einem gemeinsamen Seelsorge-Spaziergang. Ob es darum geht, einem Kind einen Apfelsaft zu besorgen oder einer Person dabei zu helfen, mit Alpträumen, Panikattacken oder Schuldgefühlen besser umgehen zu können – wer die Frage stellt: „Was brauchst Du?“ – muss mit allem rechnen. „Wenn wir als Kirche unseren diakonischen Auftrag ernstnehmen“, sagt Tanja Sacher, „dann muss es uns an allererster Stelle um den Nächsten gehen. Was braucht er oder sie? Und was kann ich dazu beitragen? Was sonst soll unser Auftrag als Kirche sein, wenn wir das Doppelgebot, das Jesus uns aufgetragen hat, umsetzen?“