Constanze Kleis: „Wir brauchen einmal die Woche eine Auszeit“
Frau Kleis, Sie haben eine Hommage an den Sonntag verfasst: Was muss am Sonntag sein? Was geht gar nicht?
Was sein muss: Die ‚seelische Erhebung’, so lautet die Sonntags-Hausaufgabe, die im Grundgesetz festgeschrieben ist. Ob man die nun beim Sonntagsbraten, auf der Gartenliege, beim Fußball, im Schwimmbad oder im Gottesdienst findet, bleibt da jedem selbst überlassen. Wichtig ist, dass uns der Sonntag als Ausstiegshilfe aus dem Alltag erhalten bleibt. Geht deshalb gar nicht: Geöffnete Geschäfte. Und nicht nur, weil das der Fuß in der Tür zur Sonntagsarbeit für alle wäre. Sondern weil wir auch als Konsumenten einmal die Woche eine Auszeit brauchen.
Wo stehen wir in punkto Sonntag im internationalen Vergleich?
Gar nicht so übel. Zumal, wenn wir von anderen lernen. Länder wie Polen oder Italien etwa hatten den Sonntag zu unbegrenztem Shopping frei gegeben und rudern gerade reumütig wieder zurück. Man hat dort die Erfahrung gemacht, die uns hierzulande hoffentlich erspart bleibt: Dass auf Sonntagsarbeit im Einzelhandel kein Segen liegt. Dass die Erträge nicht gestiegen sind, dafür aber die Unmöglichkeit, so etwas wie ein Familienleben aufrecht zu erhalten, wenn der Sonntag seiner Bestimmung entfremdet wird.
Vor zwei Jahren haben Sie ein Buch zum Thema Weihnachten geschrieben, jetzt ist eins zum Thema „Sonntag“ erschienen, gibt es da eine Verbindung?
Es sind für mich beides die Epizentren des Familien- und Beziehungslebens. Die letzten großen Tankstellen für emotionale Superkraftstoffe wie Geborgenheit, Verbindlichkeit, Nähe, auch Zuversicht und Gelegenheit, einmal zu sich und zur Ruhe zu finden. Denn in beiden steckt die frohe Botschaft, dass bessere Zeiten kommen werden – der nächste Sonntag und das nächste Weihnachtsfest. Beim Sonntag gab es noch einen weiteren schönen Grund für ein Buch: Er feiert als einziger gesetzlich geschützter Wochentag dieses Jahr gleich zwei Geburtstage – vor 100 Jahren wurde er in die Weimarer Verfassung aufgenommen und vor 70 in die der Bundesrepublik Deutschland.
Was kann die Kirche, was kann der Staat tun, um den Sonntag nicht zu einem beliebigen Wochentag verkommen zu lassen?
Konsequent auf die bisherigen Ladenöffnungszeiten bestehen. Und weil ich nach nun ja sehr naher Bekanntschaft mit dem Sonntag und all seinen herrlichen Möglichkeiten, Eigenschaften, Charakterstärken nicht nur sehr verliebt in den Sonntag bin, sondern weiß, was er für ein großes Glück ist, wäre ich streng und würde keinerlei verkaufsoffene Sonntage mehr erlauben. Speziell vom Staat würde ich mir wünschen, bei den Ausnahmen für Sonntagsarbeit genauer hinzuschauen und deutlich restriktiver dagegen anzugehen.
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