Besuche und Telefonate gegen die Einsamkeit alter Menschen
Auf die Idee kam der Geschäftsführer der Frankfurter Diakoniestation, Helmut Ulrich, durch einen betagten Herrn, den er immer wieder die Straße rauf und runter trippeln sah. Er fragte sich irgendwann: „Wer kümmert sich eigentlich um Leute wie ihn?“ Je mehr er darüber nachdachte, umso häufiger nahm er vereinsamt wirkende Menschen im Stadtbild wahr. Und Ulrich schritt zur Tat: Im Januar 2015 hat die Diakoniestation Frankfurt das Modellprojekt „Gemeinschaft wagen – Initiative gegen Einsamkeit“ ins Leben gerufen. Eigens geschulte Ehrenamtliche sorgen mit Hausbesuchen und regelmäßigen Telefonaten dafür, dass einsame alte Menschen soziale Kontakte haben.
Im Rahmen des Projektes haben in den vergangenen eineinhalb Jahren 20 Ehrenamtliche und drei Hauptamtliche insgesamt 1500 Stunden damit verbracht, der sozialen Isolation alter Menschen entgegen zu wirken. Finanziert wird das ausschließlich durch Spenden: durch Fördergelder der Otto Georg Dinges-Stiftung, der Diakoniestiftung und des Innovationsfonds der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, die Alten- und Weihnachtshilfe der Frankfurter Rundschau hat ein Fahrzeug gestiftet.
Hinter Einsamkeit steckt häufig eine komplexe Problemlage. Und deshalb sei es gut, dass das Projekt „Gemeinschaft wagen“ in den Händen der Diakoniestation liegt, sagt deren stellvertretender Geschäftsführer Helmut Täuber. Ambulante Pflegekräfte begegnen jeden Tag Menschen, die unter extremer Einsamkeit leiden, sie wissen also, wo Bedarf ist. Außerdem ist die Diakoniestation mit Sozialdiensten, Sozialrathäusern und Krankenhäusern vernetzt, die ebenfalls Hinweise geben, wenn Menschen völlig abgeschieden leben, ohne Freunde und Bekannte. Aufgrund von Presseberichten hätten sich inzwischen sogar zehn betroffene Personen selbst gemeldet, sagt Täuber.
Aus einem Artikel hat auch Sabine Werner von der „Initiative gegen Einsamkeit“ erfahren. Sie hat lange im Krankenhaus gearbeitet und kennt deshalb die oftmals desolate Situation alter Menschen. Jetzt engagiert sie sich als Rentnerin ehrenamtlich. Derzeit betreut sie eine 88-jährige Dame, die sich nach einem Sturz nicht mehr alleine auf die Straße traut. Sie geht mit ihr spazieren oder Kaffee trinken, achtet darauf, dass sie genug isst, und entlastet sie bei ihrer größten Sorge – dem Schriftverkehr mit der Krankenkasse, der wegen des im Pflegeheim befindlichen Ehemanns geführt werden muss. Sabine Werner weiß, dass sie längst eine wichtige Bezugsperson für die Dame ist und selbst eine emotionale Beziehung aufgebaut hat. „Wenn ich ihre strahlenden Augen sehe, sind das tolle Momente.“
Der etwaigen Gefahr, dass Ehrenamtliche den Abstand verlieren und sich mit „reinziehen“ lassen, wenn Senioren etwa Depressionen plagen, wirkt die vierwöchige Ausbildung entgegen. Und wenn Fragen oder Probleme auftauchen, können die Ehrenamtlichen sich jederzeit an die Projektverantwortlichen wenden.
Derzeit kümmert sich das „Gemeinschaft wagen“-Team um 25 Personen, es waren auch schon mal über dreißig. Deshalb sind weitere Freiwillige willkommen. Zumal sich das Einsamkeitsproblem unter der älteren Bevölkerung voraussichtlich weiter verschärfen wird. Mit einem grundsätzlichen Dilemma werde man sich aber stets herumschlagen müssen, sagt Helmut Ulrich: wie man völlig zurückgezogen lebende Menschen überhaupt erreichen kann.
Für ihr Engagement zahlt die Diakoniestation Frankfurt den Ehrenamtlichen eine Aufwandsentschädigung von 12,50 Euro pro Stunde, wobei maximal zwei Stunden pro Woche vergütet werden können. Wer Interesse an einer Mitarbeit hat, kann sich an die Projektkoordinatorin Bianca English wenden: Telefon 069 25492116 oder Email: b.english@epzffm.de.