Aufwachsen zwischen Hochhäusern und Autos
Über ihre Begeisterung zum Fußballspielen haben sie sich angefreundet, die zwei Jungen, die beide in der Frankfurter Innenstadt wohnen. Einer kommt aus einer wohlhabenden Familie, der andere aus finanziell weniger privilegierten Verhältnissen.
„Beim Spielen treten gesellschaftliche Unterschiede in den Hintergrund“, sagt die Pädagogin Maria Spathopoulou. Aber damit die Kinder, die ja quasi Nachbarn sind, sich überhaupt kennenlernen können, brauchen sie Orte, an denen sie spielen und Gleichaltrige treffen können. Davon gibt es in Innenstädten nicht genug.
Kindertagesstätten und Horts seien meist ausgelastet, und es gebe zu wenige Parks, Spielplätze und Schwimmbäder, sagt Spathopoulou, die das Kinder- und Familienzentrum (KiFaZ) Innenstadt der Diakonie Frankfurt und Offenbach leitet. Dort in der Bleichstraße 44, direkt am Cityring, übertönt fröhliches Geschrei den Motorenlärm von draußen. Das Zentrum hat einen Garten, in dem die Kinder sich gefahrenlos austoben können.
Viele Familien leben in kleinen Wohnungen, weshalb die Kinder oft körperlich nicht ausgelastet seien, erklärt Spathopoulou. „Wenn sie neu zu uns ins KiFaZ kommen, haben viele erst mal einen starken Bewegungsdrang. Sie laufen hoch und runter, raus in den Garten und wieder rein. Endlich haben sie Platz.“
Besonders die Begegnung mit der Natur und damit auch das Wissen darüber, wo das Essen herkommt, fehlt vielen Kindern, die in der Innenstadt aufwachsen. „Manche können nicht einmal einen Salat erkennen“, sagt Herta Seethaler, die sich ehrenamtlich im KiFaZ engagiert. Die 66 Jahre alte Rentnerin kümmert sich um den Garten des Zentrums. Sie bringt den Kindern bei, was Erbsen sind, wie man Blumen pflanzt und wie man sie hegt und pflegt.
Auch jetzt sitzt Seethaler im Garten und ermutigt ein Mädchen zum Klettern. Mit einem anderen schaut sie sich akribisch einen Marienkäfer an. Ihr sei es wichtig, dass die Kinder lernen, sich in der Natur zu bewegen.
„In der Innenstadt sind hohe Gebäude, Einkaufsstraßen, alles ist gepflastert, überall fahren Autos. Die Kinder können nicht einfach auf die Straße zum Spielen“, sagt Spathopoulou. Eigentlich müssten mehr Leute mit dem Fahrrad fahren, damit die Kinder vor allem auf dem Schulweg sicherer sind. Da die Sicherheit aber nicht gegeben ist, fahren diejenigen Eltern, die die Möglichkeit dazu haben, ihre Kinder mit dem Auto zur Schule. Das gefährdet die anderen Kinder dann umso mehr. „Eine Spirale, aus der wir nicht wirklich rauskommen.“
Ein großer Vorteil am Leben in der Innenstadt sei hingegen die Multikulturalität und Vielfalt, mit der Kinder hier ganz selbstverständlich aufwachsen. „Kinder sind nicht skeptisch. Die Skepsis kommt aus der Welt der Erwachsenen“, sagt Spathopoulou.
Manchmal lernen über die Freundschaften der Kinder auch die Eltern, das eine oder andere Vorurteil abzubauen. Die beiden kleinen Fußballfans aus den unterschiedlich situierten Familien jedenfalls besuchen sich inzwischen auch privat.
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