Alles immer sofort haben – das geht nicht
Meine
10-jährige Nichte hat eine Idee: „Dieses Jahr können wir doch alle vier Kerzen
am Adventskranz auf einmal anzünden. Immer bis Weihnachten zu warten, ist doch
doof.“
Klar, Warten kann langweilig und nervig sein. Im Stau. Im Wartezimmer. In der Supermarktschlange. Aber, versuche ich meiner Nichte zu erklären: Warten kann auch schön und lohnend sein. Zum Beispiel zu warten, bis ein scheues Tier Vertrauen fasst, oder bis eine Freundschaft entsteht. Warten, bis eine Blume aufblüht, oder bis nach neun Monaten ein Baby geboren wird. Oder eben warten, bis es Weihnachten wird.
„Wir können uns ja die Wartezeit verkürzen“, schlage ich vor, „mit Basteln, Backen, Wunschzettel-Schreiben“. Meine Nichte überlegt. „Na gut“, sagt sie schließlich. „Du kannst ja mit mir Vanillehörnchen backen.“ Kurze Pause.
„Und, wann backen wir? Jetzt gleich?“ – Netter Versuch also, aber so richtig vom Sinn des Wartens überzeugt habe ich sie offenbar noch nicht. Vielleicht kann man das auch gar nicht erklären, sondern wir müssen es noch üben: Jeden Tag das Türchen am Adventskalender aufmachen, singen, vorlesen. Und das Kerzenanzünden auf dem Adventskranz jeden Sonntag ganz bewusst zelebrieren.