Kunst & Kultur

Sieben Meter Malerei

Die Frankfurter Petersgemeinde hat ein ungewöhnliches Bild erstanden. Es soll später einmal im Gemeindesaal der Epiphaniaskirche im Frankfurter Nordend hängen. Zurzeit muss der „Barmherzige Samariter“ von Wilhelm Steinhausen aber erst noch restauriert werden.

Restauratorin Maike Behrends befreit den "Barmherzigen Samariter" von Wilhelm Steinhausen von den Spuren der Zeit. | Foto: Rolf Oeser
Restauratorin Maike Behrends befreit den "Barmherzigen Samariter" von Wilhelm Steinhausen von den Spuren der Zeit. | Foto: Rolf Oeser

Nur 85 Zentimeter hoch, aber über 7 Meter breit – das Format ist vielleicht das Hervorstechendste am „Barmherzigen Samariter“. Die Frankfurter Petersgemeinde hat das Wandbild mit den ungewöhnlichen Maßen, ein Werk des Malers Wilhelm Steinhausen (1846-1924), aus dessen Nachlass gekauft und möchte es im Gemeindesaal an der Epiphaniaskirche aufhängen. Doch zunächst muss es in Form gebracht werden.

In der leeren ehemaligen Pfarrwohnung an der Fürstenbergerstraße, direkt am Holzhausenpark, hat das Bild vorläufig Platz gefunden – auf einem langen Holztisch, den Ehrenamtliche der Gemeinde eigens angefertigt haben. „Ich hatte es erst mal auf den Boden gelegt“, berichtet die Diplom-Restauratorin Maike Behrends. „Damit es sich entspannen kann.“ Die große Leinwand war lange eingerollt, ihre Ränder hatten sich deshalb gewellt.

Behutsam macht sich Behrends an die Arbeit – mit Pinseln, Spateln und Tüchern. Das Bild sei in einem vergleichsweise guten Zustand, gut gelagert gewesen, geschützt in einem Behälter, die Malschicht nach außen. Es gibt daher nur kleinere Schäden, etwa sogenannte „Ährensprünge“ – Risse, die sich von der Leinwand-Rückseite durchdrücken – ein größerer Abkratzer, ein paar Farbspritzer, eine schwarze Markierung am Rand. „Wo die herkommt, ist mir nicht ganz klar“, sagt die Restauratorin. Kleine Nagellöcher am Rand hingegen verraten, dass das Bild wohl ohne Rahmen aufgehängt war.

Zuerst beseitigt Behrends Firniß und eine Nikotinschicht. Das Ergebnis ist frappant: Die gereinigten Stellen wirken gegenüber der eingedunkelten Umgebung wie von der Sonne beschienen, als seien sie frisch gemalt, die Farbe gerade erst getrocknet. „Ich werde nur sehr sparsam retuschieren“, sagt Behrends. Das sei der flächigen, eher skizzenhaften Malweise Steinhausens angemessen. „Es geht darum, einen authentischen Eindruck herzustellen.“

Der Maler bringt die ganze Geschichte des barmherzigen Samariters in mehreren Szenen auf eine Leinwand: der verletzte Mann am Wegrand, Menschen, die achtlos vorbeigehen, der Samariter, der die Wunden versorgt und ihn in eine Herberge bringt. „Das ist ungewöhnlich“, sagt Behrends. Eingebettet sind die Szenen in eine weite, hügelige Landschaft, Felder, vereinzelte Baumgruppen. „Vielleicht von Italien inspiriert.“

Dorthin war Steinhausen 1871 zu einem längeren Mal- und Studienaufenthalt gereist. Doch auch später, auf Rügen, im Taunus, Oden- oder Westerwald hat er Skizzen vor der Natur angefertigt und sie später in Gemälden weiterverarbeitet. Landschaften und Portraits waren Domänen des Künstlers, der aus der Niederlausitz stammte und in Berlin aufwuchs. Während des Studiums dort und in Karlsruhe lernte er den später recht berühmten Kollegen Hans Thoma kennen, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband. Im November 1876 zog Steinhausen nach Frankfurt – mit der Aussicht, dort durch Wandmalereien für neu erbaute Villen und Geschäftshäuser Geld verdienen zu können. Bis zu seinem Tod bewohnte er ein Haus in der Wolfsgangstraße, das heute die Steinhausen-Stiftung beherbergt, die seinen Nachlass verwaltet und Forschungen zu seinem Werk fördert.

In seinen späteren Jahren malte Steinhausen zunehmend auch geistliche Motive. Das Sujet des Samariters hat er mehrfach gestaltet: als Teil eines monumentalen Wandbildes, das in den Jahren 1899 bis 1902 für die Aula des heutigen Heinrich-von-Gagern-Gymnasiums entstand und christliche Lehren den Lehren der Antike gegenüberstellt. Außerdem existiert ein kleinformatiges Triptychon, das starke Ähnlichkeiten mit dem jetzt von der Petersgemeinde gekauften Großbild aufweist, das wohl auch um die Jahrhundertwende entstanden sein dürfte. „Er mochte das Motiv offensichtlich und wollte daher auch eine Version für sich selbst haben“, sagt Constantin Paquet, Geschäftsführer der Steinhausen-Stiftung, zur Entstehung. Später habe das Bild im Wohnzimmer einer Enkelin des Malers ohne Rahmen über Eck gehangen.

Es sei gut, dass das Bild im Gemeindesaal künftig öffentlich präsentiert werde, sagt Paquet. Auch die Beziehung Steinhausens zum Holzhausenviertel komme so zum Ausdruck. „Wir sind froh, dass wir die Chance zum Erwerb dieses Steinhausen-Werkes hatten“, sagt der Kirchenvorstandsvorsitzende, Pfarrer Andreas Hoffmann: „Für die Gemeinde ist das Bild eine geistliche Bereicherung.“ Für Gemeindepädagogik und Konfirmandenunterricht gebe die Bildergeschichte reichlich Anschauungsmaterial und Inspiration.

Wann das Bild an seinem neuen Ort zu sehen sein wird, ist noch offen. Nach Abschluss der Retuschen muss der Spannrand, der teilweise abgeschnitten wurde, wieder angestückt werden. Anschließend wird das Bild dann gerahmt. „Wegen der Größe geht das nicht in einem Stück“, erklärt Maike Behrends. Die letzten Arbeiten wird sie danach noch „in der Senkrechten“ vornehmen.

Für die Restaurierung des Bildes, für die bis zu 10.000 Euro veranschlagt wird, bittet die Gemeinde um Spenden (Evangelischer Regionalverband Frankfurt, IBAN: DE9152 0604 1000 0400 0102, Verwendungszweck: RT1616 / 0300.01.2200). Auf Wunsch stellt die Gemeinde auch Spendenbescheinigungen aus.


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Jörg Echtler 9 Artikel

Jörg Echtler studierte Kirchenmusik, Musiktheorie und Germanistik und arbeitet als freier Journalist in Frankfurt und Offenbach.

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