Schöne Welt: Skulpturen von Ernst Stark in der Weißfrauen Diakoniekirche
Ein Riese könnte die Baumstämme auf dem Boden der Kirche verstreut haben. „Sie liegen so, wie sie gefallen sind und ich sie auseinandergesägt habe“, erläutert Stark. Ursprünglich gehörten die Stämme zu einem Walcholderbaum, der während eines Sturms vor das Atelier des Künstlers in der Normandie fiel.
„Der Baum hatte etwas Körperhaftes“, erinnert Ernst Stark sich. Der 1965 in Bamberg geborene Künstler, ausgebildeter Holzbildhauer, wusste gleich, dass er daraus ein Kunstwerk schaffen will. Knapp drei Jahre arbeitete er an der siebenteiligen Holzskulptur, sägte die Stämme, die 2,30 bis 7,80 Meter lang sind, auseinander, entfernte die Rinde, ging dem Wuchs des Holzes nach, legte Schichten frei und glättete das Material mit Schleifpapier so lange, bis eine leicht glänzende Oberfläche entstand. Zum Schluss trug er Aquarellfarbe aus japanischer Muschelschale auf, die die Stämme in einem Weiß, das an Mondlicht erinnert, strahlen und sie verletzlich wirken lässt.
Was auf den ersten Blick wie natürlich gewachsen wirkt, ist bis ins Detail gestaltet. „Ich treffe während der Arbeit viele Entscheidungen“, sagt Stark. Je nach Perspektive lassen die Stämme an Knochen, Stein oder Körperfragmente denken, ein Astloch wirkt wie ein Bauchnabel oder eine Wunde, kleine Verästelungen erinnern an angespannte Muskulatur. Zwischen den Stämmen sind weitere Objekte platziert: sechs Stühle und ein Tisch aus Bronze. Als Teil der insgesamt sechs mal 15 Meter großen Installation sind sie als Verweis auf die kulturellen und handwerklichen Fähigkeiten des Menschen zu verstehen. Natur und Kultur treten auf diese Weise im sakralen Raum der Kirche in einen Dialog.
Ernst Stark stellt seine Arbeit in einen universellen Zusammenhang: „Ich stelle mir vor, dass, lange bevor die Spezies Mensch auf der Erde erschienen ist, ein Vorgänger meines Baumes irgendwo auf dieser Welt einen Teil der Landschaft bildete, in der die Sonne täglich auf- und unterging.“ Wacholder gehöre zur Familie der Zypressengewächse, die bereits vor mehreren Hundert Millionen Jahren auf der Erde wuchsen. In Zeiten von Kriegen und Krisen erinnert der Künstler mit seiner raumgreifenden Installation daran, dass der Planet trotz allem (auch) schön ist: „The world is still beautiful.“
Ernst Starks raumfüllende Installation „The world is still beautiful“ ist bis Samstag, 23. Juli, dienstags bis samstags, 12 bis 16 Uhr, in der Weißfrauen Diakoniekirche, Gutleutstraße 20 zu sehen. Zwei Veranstaltungen begleiten die Ausstellung: Am Sonntag, 22. Mai 2022, 16 Uhr, gibt es ein Konzert mit Julius Bockelt und Sven Fritz von „Superposition“. In ihren experimentellen Musikperformances bringen sie Keyboards, Modular-Synthesizer, perkussive Elemente, Fieldrecordings und Stimmen zum Einsatz. Musik der „Midnight Drones“, Andreas Diefenbach und Michael Moos vom Frankfurter Stadtradio radio x, ist am Sonntag, 26. Juni 2022, 16 bis 20 Uhr, zu hören.
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