Erkundet die „deutsche Epoche“: das neue Romantik-Museum im Großen Hirschgraben
„Bisher gab es keinen Ort in Deutschland, der für das Ganze der deutschen Romantik stand“, sagt die Direktorin des Goethe-Hauses in Frankfurt am Main, Anne Bohnenkamp-Renken. Die Literatur-Epochen der Aufklärung, der Klassik und der Moderne seien bereits in Wolfenbüttel, Weimar und Marbach mit Museen von Weltgeltung vertreten. Hingegen gebe es weltweit noch keine vergleichbare Institution für die geistige Bewegung der Romantik, die international mehr als jede andere Zeitspanne westlicher Kultur mit Deutschland identifiziert werde.
Das wird am 14. September anders: Dann öffnet das Deutsche Romantik-Museum in Frankfurt am Main. Direkt an das historisch wiedererbaute Geburtshaus von Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) schließt der dreigliedrige, in unterschiedlichen Gelbtönen gestrichene Neubau am Großen Hirschgraben 23-25 mit einem Glaserker an. Fassaden und Proportionen greifen das Goethe-Haus auf, erklärt der Frankfurter Architekt Christoph Mäckler. Auch Details in der Inneneinrichtung beziehen sich auf das Geburtshaus des Dichters und Dramatikers. Das einzige mittelalterliche Überbleibsel des Goethehauses, eine Brandmauer, ist in eine Außenwand des Museums integriert. Die Pflastersteine des Foyers sind aus Kriegstrümmern der Altstadt, unter denen sich das ursprüngliche Goethe-Haus befand, hergestellt.
Das Museum will nach den Worten seiner Direktorin Bohnenkamp-Renken die Verbindung der Literatur mit der Kunst, Musik, Philosophie und Gesellschaft aufzeigen. Dabei sollten die literarisch und philosophisch fundierten Konturen des modernen europäischen Menschenbildes zum Vorschein kommen. Die Besucher können auf 1.200 Quadratmetern 35 Stationen erkunden, die Schlüsselideen und Personennetzwerke der Romantiker veranschaulichen.
Die historischen Manuskripte, Graphiken, Gemälde und Gebrauchsgegenstände sind in multimediale Präsentationen eingebunden. Das Museum schöpft nach Angaben von Bohnenkamp-Renken aus der international herausragenden Sammlung zur Literatur der deutschen Romantik, die in den vergangenen 100 Jahren vom Freien Deutschen Hochstift zusammengetragen wurde. Dazu gehören Handschriften etwa von Novalis (Friedrich von Hardenberg), Friedrich Schlegel, Joseph von Eichendorff, Ludwig Tieck, Clemens Brentano sowie Achim und Bettine von Arnim. Teil der Sammlung sind auch Kompositionsentwürfe von Robert Schumann und bekannte Gemälde wie Caspar David Friedrichs „Der Abendstern“, Johann Heinrich Füsslis „Der Nachtmahr“, Bilder von Carl Gustav Carus und Graphiken von Philipp Otto Runge.
Zu den ausgestellten Kleinodien gehören etwa eine seidene Handtasche und ein vergoldetes Diadem mit Perlen von Charlotte Buff, die Goethes Vorbild der Lotte in „Die Leiden des jungen Werthers“ war. Für die kostbaren Handschriften hat das Museum eigens Möbel konstruieren lassen, die die Besucher zum Herausziehen von Schubladen animieren und in diesem Moment erleuchtet werden. Texte sind mit Hörstücken und Bildern verbunden. So ist das Original der gemeinsamen Handschrift von Clemens Brentano und Achim von Arnim über ihre Betrachtung von Caspar David Friedrichs Gemälde „Der Mönch am Meer“ begleitet von einer Transkription.
Die Besucher:innen können das Gemälde auf einer Wandprojektion bewundern und sich dabei den Text der Dichter per Kopfhörer vorlesen lassen. Auch der engen Verbindung der Dichter mit den frühen Naturwissenschaften kann nachgespürt werden, die Entdeckung der Zusammenhänge zwischen Magnetismus und Elektrizität oder Chemie und Elektrizität wurden damals philosophisch gedeutet. Zu verschiedenen Stationen sind passende Musikstücke zu hören. So wird das Rhein-Gedicht von Clemens Brentano „Aus Wassers Kühle trink ich Glut“ begleitet von Clara Schumanns Vertonung „Lorelei“.
„Das Museum will nicht erklären, sondern zum Entdecken verleiten“, sagt die Projektassistentin Silke Weber. Die Besucher:innen könnten aus vielen Puzzlestücken einen Eindruck von der Romantik bekommen. Die Baukosten von zwölf Millionen Euro wurden nach Angaben von Bohnenkamp-Renken in der fünfjährigen Bauzeit eingehalten. Die Ausstattung kostete 6,5 Millionen Euro. Bemerkenswert, dass der größte Teil der Finanzierung von privaten Spendern aufgebracht wurde: 1.500 Einzelspenden hätten neun Millionen Euro beigetragen. Bund und Land Hessen finanzierten jeweils vier Millionen Euro, die Stadt Frankfurt stellte das Grundstück und steuerte nach jahrelangen Auseinandersetzungen schließlich 1,8 Millionen Euro bei.