Kunst & Kultur

Religion trifft Kunstgeschichte

Die Reihe „Kunst und Religion“ hat sich seit ihrer Gründung 2004 zu einem gefragten Format entwickelt. Das Besondere: Theologie und Kunstgeschichte treten miteinander in einen Dialog, in dem die Kunstwerke von Expert:innen beleuchtet werden, anschließend kommt das Publikum darüber ins Gespräch.

Pfarrer David Schnell ist beim Evangelischen Stadtdekanat zuständig für den Dialog mit der Kunst. | Foto: Rolf Oeser
Pfarrer David Schnell ist beim Evangelischen Stadtdekanat zuständig für den Dialog mit der Kunst. | Foto: Rolf Oeser

„Schöpfer der Reihe sind Stefan Scholz vom Haus am Dom und mein Vorgänger Andreas Hoffmann“, erzählt David Schnell, der seit 2007 evangelischer Pfarrer für Stadtkirchenarbeit am Museumsufer ist. Sein Kollege Scholz ist Referent für Kunst und Religion in der Katholischen Akademie Rabanus Maurus Haus am Dom. Die Reihe biete, so der 52-Jährige, „die ganz große Chance, Menschen außerhalb der Kirche, vielleicht auch Kirchenferne, zu religiösen Themen anzusprechen“. Für ihn persönlich ist sein Amt ein „Traumjob“, denn „Theologie und Künste waren immer mein Thema“. Während seines Theologiestudiums hörte er auch Vorlesungen zu Kunstgeschichte.

Die Veranstaltungen decken ein breites Epochen-Spektrum ab, vom Mittelalter bis zur Kunst der Gegenwart. Im Mittelpunkt steht jeweils ein Werk, das dauerhaft im Städel oder im Liebieghaus zu sehen ist. Die Auswahl treffen Scholz und Schnell zusammen mit der Leiterin der Städel-Abteilung „Bildung und Vermittlung und Digitale Sammlung“, Chantal Eschenfelder, und ihrer Stellvertreterin Anna Huber. „Oft berücksichtigen wir Werke, bei denen man sich zunächst fragt: Was gibt es dazu Spirituelles zu sagen?“, erläutert Schnell. Gerade bei modernen Kunstwerken sei der Interpretationsspielraum oft sehr offen. Diese Werke bieten für den Pfarrer eine besonders reizvolle Herausforderung, denn auch, was man unter Religion verstehe, könne hier komplex beleuchtet werden. Bei den Wechselausstellungen steht immer ein bestimmtes Thema im Mittelpunkt, das anhand mehrerer Bilder erläutert wird.

Die Kunsthistorikerin Maria Reith-Deigert erläutert zu Beginn der Führung durch die Ausstellung „Vor Dürer – Kupferstich wird Kunst“, die bis 22. Januar im Städel zu sehen war, die Geschichte des Kupferstichs, der zu den ältesten Techniken des Bilddrucks gehört. Unter der Überschrift „Gut getanzt ist halb gefreit“ stehen ausgewählte Bilder wie „Der Moriskentanz“ von Israhel van Meckenem (1440/45 bis 1503), das in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstanden ist, und eine Frau darstellt, die von wild tanzenden, musizierenden Männern umringt ist. David Schnell dazu: „Das Bild stellt etwas Reizvolles, Verbotenes dar.“ Ein Teil der Botschaft: „Das Sinnliche soll im Leben nicht komplett beiseitegeschoben werden.“

Das Bild habe aber auch mahnende Elemente: „Man kann alles leben, sollte aber nicht übertreiben.“ Während Reith-Deigert kunstgeschichtliche Zusammenhänge oder Details zur Bildgestaltung erläutert, stellt Schnell philosophische, theologische oder lebenspraktische Aspekte in den Mittelpunkt. In der Ausstellung ist auch Albrecht Dürers „Das Liebespaar und der Tod (Der Spaziergang)“ aus dem Jahr 1498 zu sehen, es zeigt auf den ersten Blick eine idyllische Szene: Ein modisch gekleidetes junges Paar geht spazieren, doch hinter einem Baum schaut der Tod in Gestalt eines Gerippes mit einer Sanduhr auf dem pelzigen Kopf hervor. Das Bild könne eine Anspielung auf die Geschichte von Adam und Eva sein, so David Schnell. Reith-Deigert weist auf die besondere Stellung Dürers hin, er sei ein Künstler am „Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit“ gewesen und verkörperte damals das neue Ideal des „selbstbewussten Künstlers“.

Es gebe für die Reihe „eine Kerngemeinde, Stammgäste, die oft kommen“, sagt David Schnell. Frank-Christian Thomas ist einer von ihnen: „Ich komme seit zehn Jahren regelmäßig“, sagt er. „Kunst und Religion“ biete für ihn die Möglichkeit, „über den Tellerrand zu schauen“. Der Anfang 50-jährige, der schon seit seiner Kindheit gerne Ausstellungen besucht, fühlt sich auch der Kirche verbunden: Nebenberuflich ist der Controller als Organist tätig.

Die Verwaltungsangestellte Christina Frey hat sich der Führung spontan angeschlossen. Die Mittdreißigerin besitzt die Museumsufercard und geht nach Dienstschluss oft ins Museum. „Ich bin generell an Kunst interessiert.“ Es sei spannend, dass sich hier zwei Sichtweisen treffen. Eine weitere Besucherin, Mitte 50, liebt es, sich „in Bilder zu versenken“. Sie hat auch schon online an „Kunst und Religion“ teilgenommen. „Dieses Format haben wir während der Coronamaßnahmen entwickelt und beibehalten, denn es hat eine große Reichweite, ein weiterer Vorteil: Es ist besonders gut möglich, Details eines Werkes durch Heranzoomen in den Blick zu nehmen“, sagt David Schnell. Dennoch könne es nicht die direkte Begegnung mit dem Original ersetzen.

Ermöglicht wird die Reihe von der Stiftung der Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau. David Schnell und Stefan Scholz wechseln sich bei den Führungen im Dialog mit einer Kunsthistorikerin oder einem Kunsthistoriker in Liebieghaus und Städel ab. „Kunst und Religion“ wird mehrfach im Monat meist donnerstagabends angeboten, auch Gründonnerstag. Die Führungen beginnen um 19.30 Uhr, Sondertermine sind Ostermontag, 15 Uhr, und Pfingstmontag, 15 Uhr.


Autorin

Antje Kroll 4 Artikel

Antje Kroll arbeitet seit vielen Jahren als Journalistin, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und Korrektorin.

2 Kommentare

23. Januar 2023 13:48 Beate Kolberg

Gibt es schon weitere Termin für 2023? Wo kann ich die Jahresplanung finden?

25. Januar 2023 15:35 Redaktion

Die Termine im Städel sind auf https://www.staedelmuseum.de/de/angebote/kunst-und-religion zu finden, hier sind jedoch bisher nur die aufgeführt, die auch im Artikel genannt sind. Anders ist es beim Liebighaus: auf https://frankfurt.de/veranstaltungen/Liebieghaus-Skulpturensammlung-10115938/Kunst-und-Religion-21739743 finden sich die geplanten Veranstaltungen der Reihe bis Mitte Juli.

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