Taufe in Rödelheim: Warum Ludwig Börne vor 200 Jahren Christ wurde
Ludwig Börne, nach dem nicht nur einer der renommiertesten Preise für Essays, Kritik und Reportagen im deutschen Sprachraum benannt ist, sondern auch ein Platz in der Frankfurter Innenstadt. Mit kritisch-geistreichen Essays und Theaterkritiken hat er sich einen Namen gemacht und gilt als ein maßgeblicher Wegbereiter des Feuilletons. Doch zu seinen Lebzeiten legte ihm seine Geburtsstadt Frankfurt gewaltige Steine in den Weg.
1786 als Juda Löb Baruch in eine jüdische Familie geboren, durfte er weder eine Höhere Schule besuchen noch später eine Zeitschrift gründen. 1818, im Alter von 32 Jahren, nahm Juda Löb Baruch deshalb den Namen Ludwig Börne an und ließ sich kurz darauf in der Rödelheimer Cyriakuskirche evangelisch taufen.
Im Kirchenbuch der Gemeinde kann man den Taufeintrag bis heute nachlesen. Nach Ansicht der Historikerin Berthild Gossel-Raeck wollte der Publizist mit seinem Schritt vor allem dem judenfeindlichen Klima der damaligen Zeit entkommen. Um Glaubensinhalte sei es ihm eher nicht gegangen. „Er hat sich von der Taufe ein Eintrittsbillet in die Gesellschaft versprochen“, so die Forscherin.
Tatsächlich konnte er nach der Taufe seine Zeitschrift „Die Waage“ gründen. Die Hoffnung auf gesellschaftliche Akzeptanz habe sich jedoch nicht erfüllt – eine Enttäuschung, die auch in Börnes Schriften Spuren hinterlassen hat: „Der Jude ist der Blutflecken der Lady Macbeth, er ist nicht abzuwischen“, schreibt er etwa an einer Stelle. Und ein Jahr vor seinem Tod, im Jahr 1836, klagt er: „Ich wollte, es gäbe mir einer die drei Louisdor zurück, die ich für mein Christentum dem Herrn Pfarrer verehrt. Seit achtzehn Jahren bin ich getauft, und es hilft mir nichts. Es war eine törichte Verschwendung.“
Warum der für seine humorvoll-scharfzüngigen Briefe, Essays und Kritiken geschätzte „Zeitschriftsteller“, wie er sich selbst bezeichnete, mit seinem Anliegen ausgerechnet zur Rödelheimer Cyriakusgemeinde kam, dazu gibt es nur Vermutungen. Sie sei zwar auf einen Hinweis gestoßen, wonach er eine Zeit lang in Rödelheim gewohnt habe, so Gossel-Raeck. Einen sicheren Beleg dafür habe sie aber nicht gefunden. Plausibel scheint ihr dagegen, dass die Taufortwahl mit der dort ansässigen Druckerei zu tun hat, die alle Werke Börnes publiziert hat.
Die erst knapp hundert Jahre später, nämlich 1910 nach Frankfurt eingemeindete Ortschaft Rödelheim sei außerdem für ihre Liberalität und ihre große jüdische Gemeinde und Synagoge bekannt gewesen. „In Rödelheim hatten Juden eine gute Stellung und waren geachtet“, sagt Gossel-Raeck, im Gegensatz zur Freien Reichsstadt Frankfurt, wo man den dort lebenden Jüdinnen und Juden mehr versagte als andernorts.
Dieses judenfeindliche Klima Frankfurts sei auch der Grund gewesen, warum Börnes Vater seinen kränklichen, aber klugen Sohn nach Berlin geschickt hatte, um das einzige Studium zu absolvieren, was Juden erlaubt war: Medizin. In dem Fach schrieb sich der 16-Jährige auch zunächst ein.
In Berlin wohnte der junge Mann bei der Schriftstellerin Henriette Herz, die einen angesehenen literarischen Salon unterhielt – und verliebte sich prompt in die 22 Jahre ältere verheiratete Frau. Nach dem Tod ihres Mannes 1803 musste er deshalb das Haus verlassen und siedelte nach Halle um. Die unzähligen Briefe, die er von dort aus an die Angebetete schrieb, haben „die Weichen für sein künftiges Schaffen gestellt“, glaubt Gossel-Raeck. Kurz vor Börne, nämlich 1817, hat sich auch Henriette Herz evangelisch taufen lassen.
Börne habe zwar weiter studiert, sich später in Heidelberg für Rechtswissenschaften eingeschrieben und in dem Fach 1808 in Gießen promoviert, parallel aber literarische Texte und Schriften verfasst. Da der schreibende Jurist unter chronischem Geldmangel litt und Frankfurt durch die Übernahme des Code Napoleon den Juden volle Bürgerrechte gewährte, verschaffte ihm der Vater 1811 einen Posten bei der Polizei.
Mit dem war es allerdings schon wenige Jahre später wieder vorbei, der Wiener Kongress hatte der Liberalisierung 1815 ein Ende bereitet. Fortan musste Börne unter widrigsten Umständen seinen Lebensunterhalt verdienen. 1816 lernte er Jeanette Wohl kennen, die ihn bei seiner schriftstellerischen Arbeit und der Zeitschriftengründung unterstützte.
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