Kunst & Kultur

„Gott, verwandle meine Klage in einen Tango“

Niemand sagt, dass die Musik im Gottesdienst immer von einer Orgel kommen muss. Ein Tango-Gottesdienst in der Bockenheimer Jakobskirche stieß nicht nur in der Gemeinde auf großes Interesse, sondern auch bei den Medien.

Sabine Lanius und Julio Gordillo tanzten Tango im Gottesdienst in der Jakobskirche. | Foto: Ilona Surrey
Sabine Lanius und Julio Gordillo tanzten Tango im Gottesdienst in der Jakobskirche. | Foto: Ilona Surrey

„Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so konzentriert nur bei mir war. Die Welt um mich herum versinkt. Und mit ihr auch alles, was mich bedrückt.“ Klingt nach einem mystischen Gotteserlebnis? Ja, ist es irgendwie auch. Nur dass Pfarrerin Pia Baumann das nicht beim Beten, beim Meditieren oder im Kloster erlebt hat, sondern – beim Tangokurs.

Diese Erfahrung war ein kleiner Baustein, der viele Gespräche nach sich zog und letztlich dazu geführt hat, dass es in der Gemeinde Bockenheim einen Tango-Gottesdienst gab. Ein Tango, sagt Baumann, sei letztlich „ein getanzter Klagepsalm“. Und so engagierte die Gemeinde eine Band sowie die Tanzprofis Sabine Lanius und Julio Gordillo, die den Gottesdienst mit argentinischem Tango bereicherten, während Pia Baumann dazu predigte: „Der Tango, sagt man, ist mehr als nur ein Tanz. Er ist wie das Leben. Es geht um das Improvisieren. Um Verantwortung. Führen. Nachfolgen. Rücksichtnahme. Freiheit. Um Zuwendung. Es geht um Balance. Um Pausen. Um Geben und Nehmen. Halten und Gehalten-Werden.“

Die Aussicht auf diesen besonderen Gottesdienst hatte nicht nur über zweihundert Menschen in die Jakobskirche gelockt, sondern stieß auch bei den Medien auf riesiges Interesse. Das hat Pia Baumann schon ein bisschen gewundert. „Es ging uns ja nicht darum, einmal etwas Absurdes auszuprobieren, sondern uns schien der Tango wirklich passend zu sein, gerade auch für diese Jahreszeit.“ Die Idee sei auch gar nicht so außergewöhnlich, auch in Stuttgart, Hamburg und Köln habe es schon Tango-Gottesdienste gegeben.

Musik ist ja sowieso ein fester Bestandteil von Gottesdiensten, und nirgendwo steht, dass damit nur Orgel gemeint ist. „Tango kann man nicht nur hören, man hat auch etwas sichtbar vor Augen“, sagt Baumann. „Die Sehnsucht und die Hoffnung, dass da doch noch mehr sein muss, dass da noch etwas kommen muss, das haben der christliche Glaube und der Tango gemeinsam.“

Damit alle das auch selbst ausprobieren und am eigenen Leib erleben konnten, gab es im Anschluss an den Gottesdienst noch einen Schnupper-Tanzkurs. „Über die Hälfte der Leute sind geblieben“, freut sich Pia Baumann, „das war schon ein schönes Erlebnis“.


Autorin

Antje Schrupp 240 Artikel

Dr. Antje Schrupp ist Chefredakteurin des EFO-Magazins. Die Journalistin und Politikwissenschaftlerin bloggt auch unter www.antjeschrupp.com Mastodon: @antjeschrupp@kirche.social

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