Kunst & Kultur

Es geht um Entdeckung und nicht Belehrung

Der Direktor des Bibelhaus Erlebnis Museum am Frankfurter Mainufer Veit Dinkelaker schätzt sowohl die Archäologie als auch Digitales als Anschauungsmaterial. In den ersten neun Monaten seiner Amtszeit konnte er die aktuelle Ausstellung „G*tt w/m/d – Geschlechtervielfalt seit biblischen Zeiten“ eröffnen, die von Beidem zeugt.

Veit Dinkelaker, Direktor des Bibelhaus Erlebnis Museums, blickt mit seinem Team nach vorn. I Foto: Rolf Oeser
Veit Dinkelaker, Direktor des Bibelhaus Erlebnis Museums, blickt mit seinem Team nach vorn. I Foto: Rolf Oeser

Sonnengebräunt sitzt Veit Dinkelaker im Garten des Bibelhauses am Museumsufer. Seit wenigen Tagen ist der Direktor des Ausstellungshauses der Frankfurter Bibelgesellschaft von einem Studienaufenthalt aus Jordanien zurück, daher der Teint. Mit einer Sechsergruppe an Theologen aus ganz Deutschland hat Dinkelaker an einem dreiwöchigen Lehrkurs des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaften des Heiligen Landes teilgenommen. Das 1903 gegründete altehrwürdige Institut hat sich der Archäologie, Landeskunde und Kulturgeschichte des Heiligen Landes und der Levante verschrieben. Statt nach Israel ging es diesmal nach Jordanien.

Begeistert erzählt der 52-jährige Theologe von den Grabungen, die er dort gesehen hat. Schon während des Studiums hatte der aus einer Pfarrersfamilie stammende Württemberger ein Faible für die Archäologie. Frönen konnte Veit Dinkelaker dem auch Anfang der 2000er Jahre als er mit seiner Frau, Anja Harzke, gleichfalls Pfarrerin, in Kairo lebte, wo sie eine Projektstelle zum christlich-islamischen Dialog innehatte, „in Ägypten kann man die Archäologie ja fast mit Händen greifen“.

In der gegenwärtigen Ausstellung des Bibelhaus Erlebnis Museums „G*tt w/m/d – Geschlechtervielfalt seit biblischen Zeiten“ zeigt Dinkelaker beim Rundgang die eine oder andere antike Figur, die zwischen den Geschlechtern changiert und die dank der guten Kontakte von Co-Kurator Martin Peilstöcker zur Israelischen Antikenverwaltung und zum Israel Museum Jerusalem in das Museum an der Metzlerstraße kam. Eigentlich war für 2019 eine Ausstellung „Qumran – Schriftrollen vom Toten Meer“ geplant, die jedoch abgesagt werden musste. „Das ist ein bisschen ein Ausgleich“, sagt der Museumsdirektor, nicht zuletzt ermöglicht auch durch die Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, die ihre Zuschüsse weiter bereithielt.

Das Kirchenparlament der EKHN hat wiederholt über die Zukunft des Museums debattiert. Dinkelaker findet es durchaus großzügig, dass die Zukunft erst einmal bis 2024 gesichert ist. Der Träger Bibelgesellschaft, die Landeskirche, die Stadt Frankfurt und das Land Hessen sowie Sponsor:innen finanzieren das Museum – neben den Eintrittsgeldern und Workshop-Gebühren. „In Zeiten, in denen das Füllhorn nicht mehr so prall ist, müssen wir liefern“, sagt Dinkelaker mit Blick auf die Zukunft. Mit Silvia Meier, kaufmännische Vorständin der Bibelgesellschaft, und dem ganzen Team ist er dabei, das Haus neu aufzustellen.

25.OOO vor allem junge Besucher:innen - in „normalen" Jahren
Eine neue Homepage soll kommen, für die aktuelle Schau wurde eigens eine interaktive (https://gott-wmd.de/) eingerichtet, Apps, digitale Quizze und ähnliches gehören inzwischen bei den Ausstellungen zum Standard. Rund 25.000 Besucher:innen zählt das Bibelhaus Erlebnismuseum „in Nicht-Corona-Jahren“. Rund 75 Prozent kommen als Gruppe, deutlich mehr als die Hälfte der Gäste sind Kinder und Jugendliche. In der Ausstellung gilt in der Regel noch die Anrede „Sie“ bei den Erläuterungstexten zu den Exponaten, digital sieht das schon anders aus, da wird das im Netz verbreitete „du“ verwandt – und bleibt doch für alle Altersstufen offen. „Wir wollen für Alt und Jung, für alle Religionen, offen sein“, betont der Theologe. Die Äußerung einer jungen Muslima, „hier ist ein Ort, wo ich mal über meine Religion reden kann“, hat ihm gefallen. Das Bibelhaus sucht Vernetzung, Mirjam Wenzel, die Direktorin des Jüdischen Museums in Frankfurt sprach bei der jüngsten Ausstellungseröffnung – „die Bibel hat ihre Wurzeln im Judentum“.

Für Dinkelaker, der seit 2009 in dem Haus das Ressort „Vermittlung“ verantwortete und im Januar 2021 die Leitung übernahm, ist das Bibelhaus „kein Kirchen- und kein Christentumsmuseum“, sondern ein Ausstellungshaus, das einlädt, die Bibel anhand von Exponaten – aus Historie und digital, mal zum anfassen, mal zum angucken – neu zu entdecken. Es gibt „Klassiker“ wie das Beduinenzelt oder das originalgroße Boot vom See Gennesaret, „aber auch ständig Neues, aus jeder Ausstellung behalten wir eigentlich was“, erzählt der Museumsdirektor.

Gewechselt werden auch die Ausstellungsgestalter:innen. Die Agentur //GESTALTUNG VON ORTEN diesmal setzt sowohl auf Herkömliches in Vitrinen, aber auch auf Kopfhörer, in denen Menschen über ihr nonbinäres Leben oder als Transsexuelle erzählen, Bodenmarkierungen wie Wohnen, Leben, Feuerstelle, laden dazu ein, sich in historische Lebenswelten einzufinden. An einer Wand können Kleidungsstücke wechselnd angeheftet werden an Figurinen. Regenbogenhut zu Schottenrock oder doch besser schwarzes Top mit Botschaft? Wie es beliebt.

Dinkelaker hat das Grußwort der Hessischen Wissenschaftsministerin Angela Dorn, die auch die Schirmherrschaft für die Ausstellung „G*tt w/m/d- Geschlechtervielfalt seit biblischen Zeiten“ übernommen hat, gut gefallen. Darin heißt es unter anderem: „Die Ausstellung stellt uns viele Fragen und fordert uns heraus, vermeintliche Klarheiten neu zu prüfen. Diese Herangehensweise zeichnet das Bibelhaus Erlebnis Museum aus – und sie macht es zukunftsfähig, weil es Fragen unserer modernen Gesellschaft in die Museumsarbeit trägt“.
Für definitive Antworten auf die Frage, „was steht da eigentlich in der Bibel“ fühlt Dinkelaker sich nicht zuständig. Er will Lust darauf machen, „diese Jahrtausende alte Schrift immer wieder neu zu entdecken“.

Aktueller Ausstellungskatalog: Veit Dinkelaker/Martin Peilstöcker: G*tt w/m/d - Geschlechtervielfalt seit biblischen Zeiten, Nünnrich-Assmus: Oppenheim 2021

Nähere Informationen zum aktuellen Programm des Bibelhaus Erlebnis Museums: hier


Autorin

Bettina Behler 335 Artikel

Bettina Behler, Medieninformation Evangelische Öffentlichkeitsarbeit Frankfurt und Offenbach