Kunst & Kultur

Drei experimentelle Jahresprojekte der Jungen Kantorei

Drei Konzertprojekte hat die Junge Kantorei für dieses Jahr geplant: An Pfingsten Haydns Schöpfung, am Jahresende Bachs Weihnachtsoratorium und dazwischen patchwork@lamento, eine Klage. Doch es geht um weitaus mehr als Werkaufführungen.

Die Junge Kantorei bei den Proben für ihr aktuelles Pfingstprojekt. | Foto: Friederike Noltenius
Die Junge Kantorei bei den Proben für ihr aktuelles Pfingstprojekt. | Foto: Friederike Noltenius

Lamento ist von vornherein ein experimentelles Format und die beiden oratorischen Werke werden in einen neuen Kontext gestellt, der sich in die Musik einmischen und den Inhalt anreichern darf. Dafür möchte die Junge Kantorei, bekannt als an drei Orten (Frankfurt, Heidelberg, Marburg) verwurzelter Patchworkchor, die Stimmen von Schülerinnen und Schülern einbeziehen. Nicht lediglich als Ausführende, sondern als kritische Stimmen werden sie die Werke kommentieren und zeitaktuell einbetten: aktiv, gestaltend, experimentell. Grundlage hierfür sind Kooperationen mit der Bettinaschule in Frankfurt, Fridays for Future Mannheim sowie der Tanzetage von Victoria Söntgen in Unterliederbach.

Jonathan Hofmann, seit 2014 künstlerischer Leiter der Jungen Kantorei, zielt mit seinen Projekten „vor allem auf eine intensive Darstellung von Wort und Gefühl.“ Authentizität bedeutet für ihn mehr als eine Verpflichtung auf das Original und historische Aufführungspraxis. Mindestens ebenso wichtig sei immer die Frage: „Wie transportiere ich das in die Gegenwart? Wie klingt Die Schöpfung 2022?“ Ohne eine ebenso individuelle wie kollektive Auseinandersetzung sei eine Antwort hierauf nicht zu haben. Chorische Arbeit sei deshalb immer auch ein Ringen um eine gemeinsame Version, mit der sich alle verbinden können – mal übereinstimmend, mal kritisch. Deshalb integriert die Junge Kantorei in ihre Projekte Elemente aus Performance und Theater – wie etwa in der 2019 aufgeführten Matthäuspassion, Matthäus reloaded, mit der sich Schüler:innen der Bettinaschule mit Gewalt und Mobbing auseinandersetzten.

In diesem Jahr nun geht es thematisch um das „Wechselspiel von Mensch und Umwelt“, wie es in der Projektbeschreibung des Kulturfonds Frankfurt RheinMain heißt, der die Konzertreihe fördert. Im Zentrum stehen die Sorgen der Jugendlichen angesichts einer zunehmend von Katastrophen versehrten Welt, gesellschaftlichen Konflikten und deren Auswirkungen auf den Nahbereich von Freundschaft und Familie. Ute Luckhardt, Deutschlehrerin an der Bettinaschule, gibt in ihrem Unterricht den Schüler:innen Raum, im Dialog mit den Werken ihre Gedanken auszuloten und ihnen Ausdruck verschaffen. Die entstehenden Texte fließen in die Chorarbeit ein.

Die Projekte der Jungen Kantorei verstehen sich als ein Forum für den Austausch über lokale, generationelle sowie soziale Grenzen hinweg und als flexiblen Rahmen für die Bearbeitung von Themen, mit denen wir so schnell an kein Ende kommen werden.

Haydn: Die Schöpfung – eine Demonstration: am Sonntag, 5. Juni, um 19.30 Uhr in der Wartburgkirche in Frankfurt-Bornheim, Hartmann-Ibach-Straße 108, und am Montag, 6. Juni, um 17 Uhr in der Stadthalle Hofheim am Taunus (25/15 Euro). Mitwirkende: Junge Kantorei, Heike Heilmann (Sopran), Christian Rathgeber (Tenor), Matthias Horn (Bass) sowie Schüler:innen der Bettina-Schule Frankfurt unter der Leitung von Jonathan Hofmann. Tickets gibt es auf der Homepage des Chores (www.junge-kantorei.de) und an der Abendkasse.


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Silke Kirch 55 Artikel

Dr. Silke Kirch studierte Germanistik, Kunstpädagogik und Psychologie in Frankfurt am Main und ist freie Autorin und Redakteurin.

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