Die Orgel und ich
Lukas Ruckelshausen steht schon vor der Tür und lächelt, als ich vor der Christuskirche in Alt-Nied ankomme. Drinnen ist es kalt. „Kalte Kirchen, warme Herzen“, kommentiert der 33 Jahre alte Kantor und gesteht: Für besonders kalte Tage hat er sich ein Heizöfchen gekauft.
Ich bin zum Glück warm angezogen. Und neugierig. Denn ich habe gelesen, dass man Schnupperstunden an der Orgel nehmen kann. Als Kind hatte ich mal Klavierunterricht. Sonderlich begabt war ich nicht, aber Spaß gemacht hat es schon. Nun will ich es noch einmal wissen. Schließlich ist die Orgel laut Wolfgang Amadeus Mozart die „Königin der Instrumente“. Erfunden wurden Vorläufer schon im 3. Jahrhundert vor Christus, doch in Kirchen sind Orgeln erst seit dem 9. Jahrhundert im Einsatz. Das Instrument in der Christuskirche wurde 1908 vom Orgelbaubetrieb Steinmeyer gebaut, erzählt Ruckelshausen.
Wir steigen eine schmale Holztreppe zum Spieltisch vor den Orgelpfeifen hinauf. Er ist überraschend klein und hat zwei übereinander angeordnete Manuale, wie die Tastatur bei einer Orgel heißt. Darüber sind bei diesem Instrument 28 Register angeordnet: Knöpfe, mit denen man Orgelpfeifen mit unterschiedlichen Tonhöhen und Klangfarben anwählen kann.
Ich probiere es aus: Schlage ein paar Töne auf dem Manual an, drücke das Register „Trompete“. Klingt tatsächlich lauter und schallender. „Violon“ dagegen lässt die Töne getragener wirken und „Vox coelestis“ irrisierend, sphärisch. „Ich liebe Flöte“, sagt Ruckelshausen und drückt den entsprechenden Knopf. Der Ton ist klar und fröhlich. Registerdrücken – oft auch -ziehen – macht Spaß.
„Eine Orgel hat unglaublich viele Klangmöglichkeiten“, schwärmt Ruckelshausen. „Sie ist das größte von allen Instrumenten, das höchste und tiefste, das lauteste und leiseste.“
Als nächstes sind die Füße dran. Auch für sie gibt es eine Tastatur, unterhalb der Bank. Ich probiere es aus. Aha. Das ist der Bass. Ruckelshausen erzählt, dass er bei Konzerten seine „Orgelschuhe“ trägt – weich und mit dünner Sohle, damit er die Töne beim Treten nicht verschleift.
Für meine Schnupperstunde hat der Kantor ein einfaches Lied herausgesucht: „We are one in the spirit, we are one in the Lord“. Ich spiele die Melodie mit einer Hand auf dem unteren Manual: Na bitte, geht doch noch.
Ruckelshausen schlägt auf dem oberen Manual die dazu passenden Akkorde an. Dann zeigt er mir, wie man mit den Füßen den Bass tritt. Jetzt soll ich es ihm nachmachen. Gar nicht so einfach. Meine Füße verlieren den Takt. Und wenn ich jetzt auch noch mit beiden Händen spielen und Register drücken müsste – wow, was für eine Koordinationsleistung. Keine Frage: Orgelspielen ist ganz schön schwer.
„Aber Geige spielen lernen ist auch nicht leicht“, meint Ruckelshausen. „Oder Schlagzeug. Alles eine Frage der Übung.“ Ich spiele nochmal die Melodie und drücke dabei mit dem Fuß auf den sogenannten Schweller – eine Art Kippschalter, mit dem man von Leise auf Laut stellen kann. Ich drehe auf. So laut wie möglich. Jetzt erfüllt der Klang die Kirche. Herrlich. „Lehnen Sie sich mal hinten an“, rät Ruckelshausen. Hinter mir ist eine Holzwand, sie verbirgt weitere Pfeifen und die Elektrik. Ich werde nochmal laut und lehne mich an. Die Wand vibriert. Fühlt sich gut an!
Drei Schnupperstunden bietet Lukas Ruckelshausen kostenlos an, danach kann man bis zu 30 Stunden für je 15 Euro buchen (Telefon 0177 46 72 65 0). Andere Kantor:innen machen ähnliche Angebote, etwa Bettina Strübel in Offenbach (Telefon 0179 48 89 95 9). Bei guten Fortschritten sind später bezahlte Einsätze im Gottesdienst möglich.
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