Die große Welt in alltäglichen Gesten aufspüren
Ein Hochhaus in einer deutschen Kleinstadt, irgendwo am Waldrand. Hier wohnen überwiegend Menschen, die in den 1990er Jahren aus Russland gekommen sind. Von ihrem Leben, ihren Sehnsüchten, ihrer Vielfalt erzählt Birgit Mattausch, hauptberuflich Pfarrerin, in ihrem ersten Roman.
Im Mittelpunkt stehen die junge Frau Nanush und ihre Urgroßmutter Babulya. Vor Jahrzehnten trug Babulya die kleine Nanush von Sibirien nach Deutschland. Nun sorgt Nanush für die inzwischen gebrechlich gewordene alte Frau. Der poetische Dialog der beiden ist eingebettet in das Beziehungsgeflecht einer bunten Hausgemeinschaft und wird inspiriert von der geheimnisvollen Präsenz des nahen Waldes.
Die Geschichte der „Schwarzmeerdeutschen“ ist vielen kaum bekannt. Ihre Vorfahren sind Anfang des 19. Jahrhunderts aus Deutschland nach Russland ausgewandert und lebten am Schwarzen Meer. Doch in den 1940er Jahren ließ Stalin sie aufgrund ihrer deutschen Herkunft nach Sibirien umsiedeln. Seit den späten 1980er Jahren kamen viele in die Bundesrepublik, die wohl berühmteste von ihnen ist der Schlagerstar Helene Fischer.
Aus sehr feinen, präzisen Beobachungen webt Birgit Mattausch die Geschichte. Sie schöpft dabei aus eigener Anschauung, denn sie hat einige Jahre lang selbst in einem solchen Haus gewohnt. „Bis wir Wald werden“ ist eine großartig gewobene Erzählung, fast ein Gedicht, das die große Welt in alltäglichen Dingen und Gesten aufspürt.
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