Kunst & Kultur

„Chöre zu leiten ist meine Leidenschaft“

Jede Woche kommt Philipp Raatz von Gießen nach Frankfurt, um hier Chöre zu dirigieren, darunter auch der der Emmausgemeinde in Frankfurt-Eschersheim. Auf diese Weise finanziert der 29-Jährige sein Studium der Angewandten Musikwissenschaft in Gießen.

Philipp Raatz ist mit Leidenschaft Chorleiter. | Foto: Rolf Oeser
Philipp Raatz ist mit Leidenschaft Chorleiter. | Foto: Rolf Oeser

Sopran – Alt – Tenor: Philipp Raatz markiert mit der Hand drei Stufen. Mit der anderen schlägt er die entsprechenden Töne auf dem Klavier im Gemeindehaus der Emmausgemeinde in Eschersheim an. „Kyrieleis“ singt der Chor jetzt in drei Tonlagen.

Seit Sommer 2022 leitet Raatz den Emmaus-Chor, dessen rund 20 Mitglieder meist älter als 60 Jahre sind. Probe ist jeden Dienstag am Spätnachmittag, so kann er später am Abend noch in Goldstein „Cantineo“ dirigieren, einen Chor der katholischen St. Jakobusgemeinde. Raatz lebt mit seiner Frau in Gießen. Aber dienstags übernachtet er oft bei seinen Eltern in Schwanheim: So ist die Fahrt in die katholischen Gemeinde Liederbach am Taunus am Mittwochabend nicht so weit: Dort leitet Raatz bereits seit 2021 den Chor „Vokalklänge“. Seit 2023 gehört noch ein vierter Chor zu seinem Portfolio: Der Männergesangsverein in Falkenstein. 

„Ob evangelisch, katholisch oder weltlich: Chöre zu leiten ist meine Leidenschaft“, sagt Raatz. „Sie sind wie ein Instrument, das man zum Klingen bringen kann. Mit kleinen Veränderungen kann man dabei schon viel bewirken. Sich aufrecht hinsetzen zum Beispiel oder die Mundwinkel bei manchen Vokalen nach innen ziehen, verbessert bereits den Klang.“

Die Arbeit am Chorklang ist Raatz wichtig. Manche Stellen wiederholt er wieder und wieder. Aber vor allem möchte er, dass alle Chormitglieder Spaß an der Probe und am Singen haben. Auf dem Repertoire stehen meist neue geistliche Lieder, aber auch ältere wie das „Abendlied“ von Josef Rheinberger oder weltliche wie „Freedom is coming“. „Natürlich kann man auch ohne geistliche Ebene singen“, sagt Raatz, der von Kindheit an mit Kirchenmusik vertraut ist. „Aber es verändert etwas, wenn sie über den Text miteinfließt.“

Mit der Chorarbeit finanziert Raatz zum großen Teil sein Leben – nur ein kleiner Zuschuss kommt noch von den Eltern. Denn noch studiert der 29-Jährige. Seine Masterarbeit schreibt er im Fach Angewandte Musikwissenschaft zum Thema „Wie emotional ist analytisches Hören?“ an der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Abgeschlossen hat er bereits ein Lehramtsstudium in den Fächern Mathematik und Musik inklusive Gesangsausbildung sowie ein Bachelorstudium in Musikpädagogik.

Nach dem Masterabschluss möchte er am liebsten als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Gießen arbeiten und eine Doktorarbeit schreiben. „Aber ob das klappt oder nicht: Meine Chöre leite ich weiter“, sagt er. Es sei wissenschaftlich belegt, dass Singen in der Gruppe nicht nur Endorphine ausschüttet, sondern Menschen auch hilft, Emotionen auszudrücken und zu verarbeiten. 


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Stephanie von Selchow ist Redakteurin des EFO-Magazins.

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