Ausstellung über Rache im Jüdischen Museum: „Es braucht auch Raum für Untröstlichkeit“
Im Christentum ist meistens die Rede vom „lieben Gott“. Dass Gott in der Bibel oft als rächend, strafend und zornig beschrieben wird, gilt vielen als Relikt alter beziehungsweise „alttestamentlicher“ Zeiten. Die christliche Kultur, so lautet ein bis heute verbreitetes antisemitisches Klischee, sei barmherzig und versöhnend, die jüdische hingegen archaisch und brutal.
Vor diesem Hintergrund ist es, wie Kulturdezernentin Ina Hartwig bei der Eröffnung sagte, eine „mutige Themenstellung“, die sich das Jüdische Museum am Bertha-Pappenheim-Platz in Frankfurt mit seiner aktuellen Ausstellung „Rache. Geschichte und Fantasie“ gegeben hat.
Noch bis zum 17. Juli geht sie der Frage nach, was Gerechtigkeit in einer ungerechten Welt bedeutet. Dass sich diese Frage heute stellt, liegt laut Kurator und Ideengeber Max Czollek auch daran, dass die Verbrechen der Shoa auf juristischem Weg nicht zufriedenstellend gesühnt wurden. Sowohl die verhängten Gefängnisstrafen als auch die finanziellen Entschädigungen seien angesichts der Verbrechen ungenügend.
Czollek kritisiert auch, dass die deutsche Erinnerungskultur nach dem Zweiten Weltkrieg in erster Linie nach „Versöhnung“ verlangte. Die Opfer bräuchten aber auch einen „Raum der Untröstlichkeit“.
Eine der bedrückendsten Abteilungen der Ausstellung sind die Zeugnisse von Menschen, die angesichts ihrer ermordeten Liebsten oder des eigenen bevorstehenden Todes im Konzentrationslager in letzten Briefen und Notizen die Hoffnung äußerten, dass diese Taten gerächt würden.
Tatsächliche jüdische Racheakte an Nazis hat es aber nur vereinzelt gegeben, wie überhaupt das Thema sich größtenteils im Bereich von Fiktion und Popkultur findet, zum Beispiel in dem Film „Inglorious Basterds“ von Quentin Tarantino.
Auch unabhängig vom Holocaust zeigt die Ausstellung viele Beispiele für jüdische Selbstbehauptung und Wehrhaftigkeit. Worum es letztlich geht, so Museumsdirektorin Mirjam Wenzel, sei die Überwindung von Machtlosigkeit, die Hoffnung auf Intervention einer höheren Macht. Die Hoffnung also, dass Gott nicht nur lieb sein möge, sondern auch gerecht.
Rund um die Ausstellung gibt es zahlreiche Veranstaltungen, Publikationen und weitere begleitende Aktivitäten. Informationen finden sich auf der Webseite des Jüdischen Museums. Dort findet man auch zahlreiche Medien und Texte, um sich von zuhause aus bereits ins Thema einzudenken. Hörenswert auch der Podcast zur Ausstellung, dessen erste Folge bereits erschienen ist. Darin sprechen Museumsdirektorin Mirjam Wenzel, Kurator Max Czollek und der Frankfurter Rabbiner Julian-Chaim Soussan über das Konzept. Der umfangreiche Katalog zur Ausstellung erschien im Hanser Verlag.
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