24 Türchen mit Geschichte: Woher der Adventskalender kommt
Vor der Reformation war es Tradition, dass sich die ganze Gemeinde zu Weihnachten in der Kirche versammelte, die Menschen verbrachten diesen besonderen Tag gemeinsam. Man betete, las aus der Bibel, aß an einem Tisch. Geschenke gab es nicht, die hatte der Heilige Nikolaus den Kindern bereits am 6. Dezember gebracht.
Martin Luther hingegen sah in Weihnachten ein Fest der Familie, das, wenn auch nicht weniger festlich, im kleinen Rahmen zuhause begangen werden solle. Da er auch die Rolle der Heiligen vermindern wollte, verlegte er den Brauch, Kindern Geschenke zu machen, vom Nikolaustag auf das Weihnachtsfest.
Für die Kinder bedeutete das, dass sie nun nicht mehr nur bis zum 6. sondern bis zum 24. Dezember ausharren mussten. Also suchten die evangelischen Familien nach Möglichkeiten, diese lange Wartezeit darzustellen und zu überbrücken. Sie hängten zum Beispiel jeden Tag eines von 24 Bildern auf. Oder sie malten 24 Kreidestriche auf eine Schranktür, die Sonntage meist farbig oder länger, und die Kinder durften jeden Tag einen wegwischen.
Es dauerte nicht lange, bis katholischen Familien diese Bräuche ebenfalls übernahmen. Sie wandten die Systematik auch auf die Krippen an und legten jeden Tag einen von 24 Strohhalmen hinein, damit es das Christuskind bequem darin habe.
Die Tage bis Heiligabend zählen
Mit der Zeit wurden immer mehr Formen entwickelt, um die Tage bis Heiligabend darzustellen und zurückzuzählen. In Skandinavien gab es Weihnachtskerzen mit 24 Markierungen oder Kerben, die jeden Tag angezündet wurden, bis alle Markierungen verschwunden waren. In Österreich stellte man eine Himmelsleiter auf, über deren 24 Sprossen Gott vom Himmel auf die Erde herabsteigen konnte. In anderen Regionen hängte man an kleine Tannenbäumchen jeden Tag ein Fähnchen mit einem Bibelvers oder einen kleinen gebastelten Stern. Oder man entzündete jeden Tag eine weitere Kerze, um mit der zunehmenden Helligkeit die bevorstehende Ankunft Jesu Christi, des Lichts der Welt, zu symbolisieren.
Und es gab Uhren, deren Zeiger in 24 Schritten gedreht wurde. Die Idee griff die Evangelische Buchhandlung Friedrich Trümpler in Hamburg auf und stellte 1902 die erste „Weihnachtsuhr“ her. Sie orientierte sich noch an einer tatsächlichen Uhr und bildete in zwölf Schritten nur die Zahlen von 13 bis 24 ab. Ab 1922 waren diese Weihnachtsauhren dann auch mit 24 Zahlen erhältlich.
Eine Pfarrersfrau erfand den Kalender mit Naschereien
Eine andere Idee hatte noch die schwäbische Pfarrersfrau Selma Lang. Sie schenkte ihrem Sohn Gerhard jedes Jahr einen Karton, auf den sie 24 Lebkuchen, so genannte „Wibele“, nähte, und von denen er jeden Tag einen essen durfte. Später wurde Gerhard Lang Verleger und machte daraus eine Geschäftside: 1903 verkaufte er erstmals einen gedruckten „Weihnachtskalender“, der aus zwei Papierbögen bestand – einem mit 24 weihnachtlichen Motiven zum Ausschneiden und einem mit 24 Feldern, auf die man die Motive aufkleben konnte. Bereits 1904 enthielt das Stuttgarter Neue Tagblatt einen solchen gedruckten Adventskalender als kostenlose Beilage, der dazu dienen sollte die Verkaufszahlen anzukurbeln. Gerhard Lang war es auch, der später die noch heute beliebte Variante eines mit Schokolade gefüllten Adventskalender entwickelte.
Um 1920 erfreuten sich die Adventskalender großer Beliebtheit. Die Nationalsozialisten jedoch verdrängten christlich-religiöse Bräuche mehr und mehr aus dem Alltag, um ihre eigene Ideologie besser verbreiten zu können, oder ersetzten sie durch Elemente, die den vermeintlich germanischen Wurzeln entsprachen: Aus dem Adventskranz wurde der Sonnenkranz, aus dem Christuskind das Lichtkind, aus dem lateinischen „Advent“ das deutsche „Vorweihnachten“, und aus Sankt Nikolaus der Schimmelreiter, der in Verbindung zum germanischen Gott Wotan stehen sollte.
Den Adventskalender missbrauchten sie für ihre Zwecke, indem die NSDAP einen „Kalender Vorweihnachten“ veröffentlichte, ein kleines Heftchen, in dem nationalsozialistische Weihnachtslieder, Backrezepte und Anleitungen für den Bau von Weihnachtsbaumschmuck in Form von Runen und Sonnenrädern aus Holz zu finden waren. Als sich 1942 die Lage an der Front im Zweiten Weltkrieg immer weiter verschlechterte, enthielt der Kalender immer öfter auch militärische Inhalte.
In den 1950ern wurden Adventskalender Massenware
Nach Kriegsende war die Sehnsucht der Menschen nach christlichen Werten und Traditionen, die an die Zeit vor dem Krieg erinnerten, groß. Bereits 1945 wurden wieder die ersten Adventskalender gedruckt, die meist Wiederauflagen von Vorkriegsmotiven verwendeten.
In den 1950er Jahren entwickelten sich Adventskalender zur Massenware und wurden in entsprechend hohen Stückzahlen produziert. Dies wirkte sich auch auf ihren Preis aus und sie waren fortan entsprechend günstig erhältlich. Häufig bildeten sie verschneite Winterlandschaften ab und hinter dem in der Regel etwas größeren 24. Türchen fand sich eine Krippenszene. Auch die Idee der mit Schokolade gefüllte Adventskalender wurden wieder aufgegriffen und ab 1958 in Masse produziert.
Heute finden sich Adventskalender in nahezu allen christlich geprägten Ländern. Jeder zweite der millionenfach in Deutschland produzierten Kalender wird inzwischen exportiert. Am weitesten verbreitet sind die Varianten mit Bildchen oder Schokolade, aber immer mehr Marken bieten auch Kalender mit kleinen (oder zum Teil auch größeren) Geschenken hinter den Türchen an. Die Spanne reicht von Tees über Parfums und Pflegeprodukte bis hin zu Bieren oder Sexspielzeug.
Neben all den Konsumangeboten erfreuen sich aber auch selbstgebastelte Kalender weiterhin großer Beliebtheit. Hierbei werden kurze Briefe oder kleine Aufmerksamkeiten in Jutesäckchen verpackt, eine Tradition, die ihren Ursprung in Skandinavien hat.
Auch besondere Formen des Adventskalenders gibt es immer öfter, die Spanne reicht von Häusern, in denen jeden Abend ein weiteres Fenster erleuchtet wird, über Adventskalender, die 24 Hörspiele oder Lieder enthalten, bis hin zu Online-Kalendern. Den mit 875 Quadratmetern weltgrößten freistehenden Adventskalender kann man übrigens jedes Jahr in Leipzig bewundern.
Trotz ihrer langen Tradition, der wechselhaften Geschichte und ihren unterschiedlichen Ausprägungen, haben alle Adventskalender seit jeher eine Gemeinsamkeit: Ihre Mission ist es, anderen Menschen eine Freude zu bereiten, sie an die Einzigartigkeit der Weihnachtszeit zu erinnern, und die Vorfreude auf das Fest zu steigern.
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