„30 Minuten Orgelmusik“ mit Martin Lücker – und das zum 4.000 Mal
Am Donnerstag, 27. Juni 2024, 16.30 Uhr, stehen zum 4.000 Mal die „30 Minuten Orgelmusik“ in Sankt Katharinen an. Martin Lücker wird in dem Jubiläumskonzert Kompositionen von Johann Sebastian Bach, César Frank und Max Reger spielen.
Zahlenakrobaten würden angesichts der 4.000 fix hochrechnen, macht soundsoviel Minuten, x-Wochen, der Organist aber winkt ab. „Es ist, was es ist: Ein Angebot für die Menschen in der Stadt“ nennt der 1953 in Ostwestfalen Geborene diese Konzerte.
Begonnen hatte er die Reihe am 1. September 1983 als frisch gebackener Kantor und Organist an Sankt Katharinen. Und auch nach dem 1. April 2023, seinem Wechsel auf die Position des Senior Organisten an St. Katharinen, führt er sie fort.
100 bis 150 Menschen finden sich durchschnittlich ein, Flaneure, Touristinnen, Stammpublikum, Zufallsgäste, die bleiben und sich den oft auch vom Kirchenjahr inspirierten Programmen hingeben. Vom 16. bis zum 20. Jahrhundert erstreckt sich das Spektrum. Bach ist mit fast all seinen Werken vertreten, dazu die großen Romantiker – wunderbar auf der Rieger-Orgel zum Klingen zu bringen. Modernes in kluger Auswahl, mit Rücksicht auf weniger erfahrene Zuhörende, auch wenn Lücker sagt: „Ein großer Teil meines Interesses gilt der zeitgenössischen Musik“.
Wenn der Organist dann auf der Empore spielt, hat er bei Zäsuren zwischen den einzelnen Stücken oft den Eindruck, ganz allein im Raum zu sein, so still und konzentriert ist es dann. „Man sollte das Potenzial eines Raumes wie die Katharinenkirche nicht unterschätzen, denn anders als in der Umgebung, die von Kaufhäusern, Reklamen und Straßenhändlern geprägt ist, darf und kann man hier ganz mit sich und bei sich sein; niemand will etwas von einem.“
Musik war Lücker nicht in die Wiege gelegt. „Wir sind eine Arztfamilie in der siebten Generation, nur ich bin der musikalische Ausreißer“, erzählt der Ausnahmeorganist. Mit 13 begann Martin Lücker in Gottesdiensten, bei Trauungen, bei Trauerfeiern Orgel zu spielen. An Heiligabend 2023 hatte er erstmals seit 57 Jahren keinen Orgeldienst, bis dann doch eine Gemeinde um seine Dienste bat, weil der dortige Kollege erkrankt war.
Martin Lücker, der in Hannover, Wien und Boston bei Größen seines Fachs studierte, der sich mit 21 Jahren bereits vier Preise bei internationalen Wettbewerben erspielt hatte, der international als Solist konzertierte und mit großen Orchestern auftrat, ist ein an die Musik Hingegebener, der von 1998 bis 2016 als Professor an der Frankfurter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst lehrte.
„Keinen Kaugummi“ und „keinen Lefébure-Wély“ umschreibt Lücker lachend eines seiner pädagogischen Prinzipien. Also nichts nur Populäres, keine gefällige, aber wenig qualitätvolle Musik. Denn an Qualität, auch ästhetischer, ist ihm gelegen. Und dabei geht es ihm nicht um den großen Auftritt, auch im Gottesdienst, in dem er seine Rolle als Teil eines größeren Zusammenhanges sieht, ist sie seine Maxime.
So spricht er voll Emphase über seine Freude beim Begleiten der singenden Gemeinde. Unbehagen erzeugt bei ihm eine Liedauswahl ohne Rücksicht auf die Anwesenden, denn das Wichtigste sei zunächst mal, dass alle gut gemeinsam singen können. „Eine traumhafte Melodie lässt einen etwas verkopften Text nebensächlich werden“, verdeutlicht er beispielhaft anhand des Kirchentagsklassikers „Herr, Deine Liebe ist wie Gras und Ufer“.
Woche für Woche beschert Martin Lücker montags und donnerstags Musik und stiftet Gemeinschaft. In diesem Sinne auch sind im Anschluss an die 4000. Orgelmusik, am Donnerstag, 27. Juni, alle zu einem Empfang eingeladen. Grußworte zu sprechen haben schon zugesagt: Landeskirchenmusikdirektor Stefan Küchler, die für Kirchenmusik im Stadtdekanat verantwortliche Prodekanin Amina Bruch-Cincar, Burkhard Bastuck, der Vorsitzende der Frankfurter Museumsgesellschaft, Rita Meinecke als Mitglied des Kirchenvorstandes und der für Dotationskirche zuständige Stadtkämmerer und Kirchendezernent Bastian Bergerhoff. Stadtkirchenpfarrer Olaf Lewerenz wird durch die kleine Feier leiten.
Eine umfangreiche Festschrift enthält weitere Gruß- und Dankesworte, Rückblicke und Ausblicke. Sie stellt auch den „Orgelmusikfond St. Katharinen“ vor, eine gGmbH, die gegründete wurde, um das großzügige Erbe zu verwalten, das Stefan Eisenhardt, regelmäßiger Zuhörer von 1989 bis 2022, „zur Förderung der Orgelmusik vornehmlich im Bereich St. Katharinen in Frankfurt“ hinterlassen hat.
Mehr Informationen, auch über Stefan Eisenhardt unter >> www.30-min.de
Ausgewählte Zitate aus den Grußworten der Festschrift:
Bastian Bergerhoff, Stadtkämmerer der Stadt Frankfurt am Main:
„Ideen verändern die Welt – auch vermeintlich kleine. ‚30 Minuten Orgelmusik‘ ist so eine Idee.
Diese Idee hat vielleicht nicht die ganze Welt verändert. Aber die Welt von St. Katharinen. Von der Hauptwache. Vom musikalischen Angebot in Frankfurt. Und die Welt von etlichen Menschen, die hier eine halbe Stunde lang Orgelmusik genossen haben. Wie vielen mag er damit Trost gespendet haben? Sie musikalisch unterhalten? Oder ihnen einfach „nur“ eine schöne Zeit beschert? Martin Lücker hat uns allen ein Geschenk gemacht.
Ich gratuliere Martin Lücker ganz herzlich zu seinem 4000. Jubiläum. Ich hoffe, er wird noch oft und lange spielen. Danke für die Initiative. Danke für die Idee. Danke für diese Institution. Sie hat die Musikwelt zumindest im Kleinen verändert.“
Stefan Küchler, Landeskirchenmusikdirektor der Evang. Kirche in Hessen und Nassau:
„Mit großer Sorgfalt pflegt er sein großes Präsenzrepertoire; sein beständiges Engagement, die Kontinuität und künstlerische Kraft beeindruckt und verschafft Martin Lücker einen festen Platz im Musikleben der Mainmetropole. Am 27. Juni 2024 feiern die 30 Minuten 4000. Jubiläum, mögen noch viele weitere folgen!“
Gerhard Löffler, Kantor und Organist der Hauptkirche St. Jacobi zu Hamburg:
„2000 Stunden vom Besten, was die Musikgeschichte für die Orgel hervorgebracht hat, an einem der schönsten Instrumente weit und breit, von einem Musiker, dessen Leidenschaft und Engagement schier unerschöpflich sind, mit höchster spielerischer Raffinesse vorgetragen: Das sind ‚die‘ 30 Minuten Orgelmusik seit 41 Jahren!
Martin Lücker und „30 Minuten Orgelmusik“, das ist eine Symbiose, ja ein Glücksfall für die Kultur. Sie ist Pilgerstätte für Besucherinnen und Besucher aus aller Welt, Organisten und Organistinnen, Studierende und für die zahlreichen Stammgäste. Es gibt kaum eine schönere Liebeserklärung an die Musik – ein Geschenk an die Menschen von einem großen Künstler unserer Zeit.“
Professor Ruben J. Sturm, Domorganist am Münchner Dom Zu Unserer Lieben Frau und
Professorin Kirsten Sturm, Kirchenmusikerin an der Lutherkirche München:
„Die Tatsache, dass die ‚Mutter aller Orgelmusiken‘ in der Katharinenkirche Frankfurt auch nach der 4000sten weitergeführt wird, beglückt die ehemaligen Studierenden. Eine wunderbare Gewissheit, immer wieder montags oder donnerstags – auch spontan – in Frankfurt aufschlagen zu dürfen, den Klängen des Meisters zu lauschen, sich im positiven Sinne ‚belehren‘ und bei der anschließenden traditionellen ‚Sprechstunde‘ mit Milchkaffee und weisen Ratschlägen gleichzeitig erden und erheben zu lassen.“