Worum geht es am Karfreitag?
Am Karfreitag vergegenwärtigt sich die christliche Gemeinde das Sterben des Jesus von Nazaret: einerseits das menschliche Leid der Hinrichtung einschließlich der Trauer der Jesus nahestehenden Menschen. Aber auch den Schmerz Gottes über dieses Leid. Die christliche Hoffnung ist, dass gerade aufgrund dieses Geschehens die Menschen insgesamt nicht mehr dem Tod ausgeliefert sind. Das bedeutet nicht, dass sie im körperlichen Sinne unsterblich werden, sondern dass sie in eine Gemeinschaft mit Gott gelangen.
Der theologische Gedankengang dabei ist folgender: Nur Gott ist vollkommen, die Menschen aber sind fehlbar, das heißt, von ihrem Wesen her sind sie unfähig, sich für die Gemeinschaft mit Gott zu qualifizieren, so sehr sie sich auch anstrengen, nach seinem Willen zu leben. Sie schaffen es nicht, die Welt und ihr Zusammenleben so zu gestalten, wie Gott es eigentlich vorgesehen hatte: voller Liebe, ohne Hass und Streit, ohne dauernd aneinander schuldig zu werden. Theologisch gesprochen: Menschen sind und bleiben Sünder:innen, die für das Reich Gottes verloren sind. Nach Gottes Gesetz sind Tod und Leid die unausweichliche Konsequenz.
Das bringt Gott – wenn man das einmal ins Menschliche umsetzt – in ein Dilemma: Er liebt die Menschen und möchte sie nicht verlieren. Um die Gültigkeit und Ernsthaftigkeit seines Gesetzes zu wahren, muss er konsequent bleiben, sonst macht er sich unglaubwürdig. In anderen Worten: Gott kann nicht zulassen, dass Menschen sündig bleiben und trotzdem im Paradies leben. Liebe und Gerechtigkeit sind zunächst nicht vereinbar.
Am Karfreitag kommen sie dennoch zusammen: Wenn ein Unschuldiger sein Leben lässt, können damit die Vielen gewissermaßen freigekauft werden. Indem also Jesus von Nazaret, Gottes Sohn, der sich nichts hat zuschulden kommen lassen, die Strafe auf sich nimmt, sieht Gott im Gegenzug alle anderen Menschen so, als ob sie gerecht seien. In Wirklichkeit sind sie es natürlich nicht, aber sie haben nun eine Art Passierschein, der sie als Gerechte ausweist. So gewinnen sie freien Zugang in die Gemeinschaft mit Gott. Jesu Sterben ist nach der christlichen Theologie ein stellvertretender Tod, die Nutznießer:innen sind alle Menschen, die das Angebot annehmen. Auf diese Weise kann Gott als gerecht und liebend zugleich vorgestellt werden.
Weil Gott Jesu freiwilliges und unschuldiges Leiden anerkennt, erweckt er ihn vom Tode. Die vergebende und versöhnende Liebe Gottes ist also der Zentralgedanke des Karfreitags: „Gott hat der Welt seine Liebe dadurch gezeigt, dass er seinen einzigen Sohn für sie hergab, damit jeder, der an ihn glaubt, das ewige Leben hat und nicht verloren geht“ (Johannesevangelium 3,16).
Der christliche Glaube zeigt im Blick auf den Menschen einen schonungslosen Realismus: So viel Gutes in ihm steckt, so hat er doch seine dunklen Seiten. Beides kann man nicht gegeneinander aufwiegen, beides hat vielmehr eine eigene Qualität. So ist am Karfreitag in den Gottesdiensten das Leid der Welt im Blick und daneben die Ermutigung, der von Gott her erfahrenen Liebe auch in der Welt zum Durchbruch zu verhelfen und das menschliche Leid zu lindern, wo immer das möglich ist.
Die Gottesdienste des Tages laufen oft nach einer besonderen, dem Tag angemessenen Liturgie, in der die Klage eine wichtige Rolle einnimmt. In der Regel wird das Abendmahl als Mahl der Vergebung gefeiert. Wo es üblich ist, werden um 15 Uhr Gottesdienste oder Konzerte zur Sterbestunde Christi angeboten.
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