Wie sieht die Kirche der Zukunft aus?
„Die deutsche weiße Mittelschichtskirche, diese Stammeskirche, gibt es nicht mehr“ – mit diesem Satz eröffnet Charlotte Eisenberg, Pfarrerin der Regenbogengemeinde in Frankfurt-Sossenheim, das Buch „Kirche der Zukunft – Zukunft der Kirche“. Eisenberg ist eine von insgesamt 23 Pfarrerinnen und Pfarrern aus ganz Deutschland, die Vorschläge dazu machen, wie es weitergehen soll mit der Kirche und dem Christentum.
Dass sich vieles in den kommenden Jahrzehnten massiv verändern wird, steht fest. Aufgrund des rasanten Mitgliederschwundes wird das Christentum seine Position als vorherrschende Weltanschauung verlieren. Schon heute ist „Christlich Sein“ vielerorts nicht mehr „einfach normal“, sondern begründungspflichtig – besonders in den ostdeutschen Landeskirchen, aber auch in städtischen Metropolen wie Rhein-Main.
Wenn die Kirche weniger Mitglieder hat, bedeutet das aber nicht nur finanzielle Einbußen. Es bedeutet auch weniger Status und Einfluss. Längst ist es nicht mehr selbstverständlich, dass Theolog:innen bei ethischen Themen nach ihrer Meinung gefragt werden, der politische Einfluss der Kirchen geht zurück. Wie darauf reagieren?
Die Frage nach der Zukunft beschäftigt vor allem Pfarrerinnen und Pfarrer, die noch einige Jahrzehnte berufliche Laufbahn vor sich haben. Die Autor:innen dieses Bandes sind alle in den 1980er Jahren geboren, also zwischen dreißig und vierzig Jahre alt. Dass sie im Untertitel als „jung“ vorgestellt werden, zeigt bereits eines der Probleme, das die Kirche strukturell hat, nämlich den hohen Altersdurchschnitt ihres Personals: Wer in der Kirche noch als jung gilt, ist anderswo längst tonangebend.
Bei aller Unterschiedlichkeit gibt es Themen, die in fast allen Beiträgen angesprochen werden. Zum Beispiel dass die Kirche der Zukunft ihre Botschaft nicht mehr nur an die eigenen Mitglieder richten sollte. Dass sich „die Kirche nicht dauernd mit sich selbst beschäftigen darf“ ist zwar eine seit Jahrzehnten überall zu hörende Mahnung, aber dessen ungeachtet tun kirchliche Gremien fast ausschließlich genau das. Menschen anzusprechen, die nicht ohnehin schon zur eigenen Kerngruppe gehören, fällt oftmals schwer.
Letztlich kommt allerdings auch diese Buch selber über weite Strecken nicht aus der Selbstbespiegelung heraus. Neben visionären und originellen Beiträgen gibt es auch solche, die sich eher traditionell und konventionell lesen. Das fängt schon damit an, wie Hanna Jacobs in ihrem Beitrag auch bemängelt, dass ausschließlich Pfarrpersonen gefragt wurden. Aber sind nur ihre Visionen gefragt? Die so genannten „Laien“ – wie in kirchlicher Sprache all jene genannt werden, die nicht ordinierte Pfarrer:innen sind, wie professionell sie in ihren jeweiligen Berufen auch sein mögen – hätten sicher wichtige Aspekte zu dieser Debatte beizutragen.
Wie könnte aber eine Kirche aussehen, die ihre Angebote nicht mehr zuerst auf die eigenen aktiven Mitglieder ausrichtet, sondern fragt, was sie der Welt „da draußen“ eigentlich mitteilen will? Klar ist: Sie muss Themen aufgreifen, die auch für Menschen interessant sind, die keine christliche Grundhaltung haben. Sie muss so sprechen, dass sie in einem säkularen Kontext verstanden wird. Vermutlich muss sie auch weniger theoretisieren als vielmehr ein Ort sein, wo Menschen tatsächlich etwas finden, das sie anderswo nicht bekommen können: Gemeinschaft, aufrichtiges Interesse, Menschenfreundlichkeit.
Ein Ort, der so ähnlich ausschauen könnte wie das kirchliche „Utopia“, das Charlotte Eisenberg in ihrem Beitrag entwirft. Sie beschreibt eine Kirche, in der nicht Privilegierte zuhause sind, sondern Prophetinnen, wo man keine Formulare ausfüllen muss, sondern einfach kommen und gehen kann. Wo zwar vielleicht die Einrichtung etwas schäbig ist, schließlich hat man kein Geld, aber wer kommt, erfährt „bedingungslose Liebe und erlösende Freiheit“. Eine Kirche, die sich nicht anbiedert, aber sich verständlich macht, nichts vermarktet, sondern das Wort Gottes verbreitet. Eine Kirche, „die nicht zu den Menschen spricht“, sondern wo Menschen miteinander sprechen.
Den kompletten Beitrag von Charlotte Eisenberg lesen Sie unter www.efo-magazin.de/utopia.
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