Was bedeuten die sieben Worte Jesu am Kreuz?
Die sieben letzten Worte Jesu am Kreuz greifen wesentliche Aspekte seiner Verkündigung auf und verdichten sie.
1 – Um die neunte Stunde schrie Jesus laut: „Eli, Eli, lama asabtani? Das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Matthäus 27,46 und Markus 15,34)
Jesus zitiert hier den Anfang des Psalm 22 aus der Hebräischen Bibel, was jüdische Menschen zu seiner Zeit auch wissen. Mit diesem Zitat verweist er also auch darauf, wie es weitergeht: Psalm 22 beginnt mit einem Schrei der Gottverlassenheit, bleibt jedoch nicht darin stecken, vielmehr gelangt wer ihn betet durch eine tiefe Todesnot hindurch zu einer starken Zuversicht zur Nähe und Treue Gottes und am Ende sogar zu einem Gotteslob.
2 – Während seine Schinder unten sitzen und seine Kleider untereinander verteilen, sagt der am Kreuz Hängende: „Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lukas 23,34)
Natürlich ist die römische Kohorte, die mit der Hinrichtung Jesu beauftragt ist, in ihrem Sicherheitsdenken gefangen und wähnt, damit ein gutes Werk zur Gefahrenabwehr zu tun. In Jesus Gottes Sohn zu erkennen, liegt den Soldaten fern. Auch gegenüber seinen Peinigern lässt Jesus keinen Fluch und keine Beschimpfung hören. Jesus leidet so, wie er es in der Bergpredigt gefordert hat: „Liebe deine Feinde!“, „Halte dem, der dich auf die rechte Backe schlägt, auch die andere hin!“ Er leistet Fürbitte selbst für diese Folterknechte! Er will sie sogar zu sich in sein Reich ziehen, wenn sie auch in dumpfer Ignoranz verharren. Er stirbt auch für die, welche diesen Tod als banalen Akt empfinden.
3 – Und Jesus sprach zu ihm: „Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ (Lukas 23,43)
Einer der beiden Verbrecher, die mit Jesus gekreuzigt werden, anerkennt seine Schuld und die Gerechtigkeit seiner eigenen Bestrafung. Im Gegensatz zu dem anderen sieht er in Jesus nicht den Versager, der sogar unfähig ist, sich selbst zu retten, sondern den wahren Messias. Ihn bittet er in gläubiger Zuwendung, bei seiner Inthronisation zur Rechten Gottes an ihn zu denken. Jesu Antwort ist eine Gerechtsprechung des Übeltäters: Für den reuigen Sünder steht der Weg in das Reich Gottes offen! Der zweite Schächer wird also zum Vorbild.
4 – Und Jesus rief laut: „Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände!“ (Lukas 23,46)
Auch dies ist kein Ruf der Verlassenheit, sondern des glaubenden Vertrauens. Jesus ist in die Hände der Menschen gegeben worden, und nun übergibt er sich selbst (wieder) in die Hände seines Gottes. „Mein Geist“ meint nicht die Seele, sondern das Ganze der lebendigen Person.
5 – Als nun Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: „Frau, siehe, das ist dein Sohn! Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter!“ (Johannes 19,26-27)
Jesus geht es nicht in erster Linie darum, dass seine Mutter versorgt ist. Das wäre zu vordergründig gedacht. Noch im Sterben hat er im Kopf, was seine Leute brauchen – so übt er Nächstenliebe und mahnt zugleich bei seiner Mutter und dem Jünger, der ihm besonders nahe steht, genau jene Nächstenliebe an, die er immer gepredigt hat. Maria und der Lieblingsjünger hatten ja bisher nichts gemein. In der Liebe jedoch werden sie einander zu Nächsten und sind jetzt praktisch eine Familie. Und was für die beiden gilt, das gilt gewiss für alle in der Nachfolge Jesu.
6 – Danach, als Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war, spricht er, damit die Schrift erfüllt würde: „Mich dürstet.“ (Johannes 19,28)
Der elementar menschliche Ruf zeigt die ganze qualvolle Situation des Gekreuzigten, der sich nicht helfen kann, sondern angewiesen ist auf die Gnade anderer. Ohnmacht und Armut Jesu werden darin offenkundig. Auch dies ist wieder ein Zitat aus der Hebräischen Bibel: Der 63. Psalm bringt mit diesen Worten die Sehnsucht nach Gott zum Ausdruck: „Gott, du bist mein Gott, den ich suche. Es dürstet meine Seele nach dir, mein ganzer Mensch verlangt nach dir aus trockenem, dürren Land, wo kein Wasser ist.“ Jesus betet also zu Gott um Zuwendung und Hilfe, um „Leben“. Mit seinem Ruf „Mich dürstet!“ erweist sich Jesus einerseits als bedürftiger Mensch, andererseits als einer, der sich auf Gott angewiesen weiß und ganz gewiss ist, von Gott die Erquickung des Lebens zu erhalten.
Der Essig, den der Soldat ihm reicht, meint hier nicht in erster Linie eine als Durstlöscher dienende Weinschorle, sondern in der Tat ein ungenießbares Gesöff wie in Psalm 69. Dort wird ein Beter zu Unrecht verfolgt und ohne Grund gehasst, und er steht unter falscher Anklage. Man treibt seinen Spott mit ihm und redet ihm übel nach. Über seine Verfolger sagt er: „Sie geben mir Galle zu essen und Essig zu trinken für meinen Durst.“ So wird eine deutliche Linie gezogen zwischen jenem leidenden Gerechten und Jesus am Kreuz. Der Essig bringt ihm keine Erfrischung, bedeutet vielmehr eine weitere Schmähung, die der Gerechte zu erdulden hat. Es ist in der Darstellung des Johannes sozusagen der Gipfel des Spottes, einem hilflos und ohnmächtig auf andere angewiesenen Gekreuzigten Essig darzubieten.
7 – Als nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: „Es ist vollbracht!“, und neigte das Haupt und verschied. (Johannes 19,30)
Auf der menschlichen Ebene bringen diese Worte zum Ausdruck: „Ich muss jetzt sterben“. Johannes versteht Jesu Tod aber nicht als ein passives Erleiden, vielmehr ist mit seinem Tod ein Werk vollendet. Jesus hat den Sieg über die Mächte dieser Welt und über den Tod errungen. Er stirbt zwar wie ein Ungerechter, jedoch nicht als ein solcher. Er geht an der Last unserer Sünden zugrunde, damit wir nicht daran zerbrechen. Vollbracht hat er die Vergebung unserer Sünden und den Erweis der Liebe Gottes.
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