Gott & Glauben

Warum Fußball eine quasireligiöse Bedeutung hat...

... und warum auch er Gefahr läuft, in die Pathosfalle zu tappen

Lars Heinemann  |  Foto: Rolf Oeser
Lars Heinemann | Foto: Rolf Oeser

Erst Europameisterschaft der Männer, dann Olympia-Bronze für die Damen, jetzt wieder Bundesliga – gefühlt läuft Fußball nonstop auf allen Kanälen. Dazu ausufernde Debatten aller Art. Hier geht es sichtlich um mehr, als nur um Sport – um wie viel mehr? Der Religionsdetektor schlägt an.

Dass Fußball moderne Religion sei – die These ist alt. Die Gesänge und Rituale im Stadion, die „Fußballgötter“ (von denen selbstverständlich Alex Meier der einzig wahre ist), die Bekenntnisse der Fans, ihr Verein sei „eine Religion“: Die Liste der Analogien ist lang.

Der tiefere Grund, warum „König Fußball“ die öffentliche Bühne beherrscht, liegt aber vor allem darin, dass Fußballkultur Fragen der Identität berührt: Wer bin ich, was ist wichtig in meinem Leben, was macht mich aus? Die angebotenen Antworten sind betont emotional, zwischen Sieg und Niederlage. Man singe nur mal die Hymne „Eintracht vom Main“ laut mit: „nur“, „alle“, „jeder“, „immer“, „nie“ – es geht ums große Ganze. Und wie bei einer Religion, ist es auch beim Fußball oft so, dass man sich als Fan den eigenen Verein nicht selbst aussucht, vielmehr: Der Verein wählt Dich aus – durch familiäre Vorprägungen oder die Region, in der man geboren ist. All diese Aspekte machen eine Religion (oder ein Religionsäquivalent) lebendig. Und weil die Fußballkultur sie so intensiv bespielt, kommt ihr eine quasi-religiöse Bedeutung zu.

Natürlich hat das auch problematische Seiten: eine Überidentifikation, die zur Abwertung des „Gegners“ bis hin zur Gewalt führen kann, oder eine Verzerrung ins Ökonomische – beides auch im Christentum nur allzu bekannte Probleme.

Interessanter scheint mir jedoch die Ambivalenz des Pathetischen. Einerseits lebt Religion (auch) vom Pathos, also dem emotionalen, „totalen“, auf der Grenze von Leben und Tod spielenden Angebot der Überidentifikation. Gleichzeitig läuft jede Religion Gefahr, den Pathos zu „übersteuern“. Dann wirken die Ausdrucksformen übertrieben, treffen nicht mehr den richtigen Ton, kippen ins Schrille. Vor dieser Gefahr scheint auch der Fußball alles andere als gefeit.


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Lars Heinemann 8 Artikel

Lars Heinemann ist Pfarrer in der Gemeinde Frankfurt-Bornheim und Mitglied in der Redaktion des EFO-Magazins. | Foto: Rolf Oeser

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